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© Leibniz-Institut (IPK)
Jung, engagiert, besorgt: Warum Valentin Hinterberger beim Klima-Protest mitmacht.

Valentin Hinterberger, Sprecher des PhD-Student Boards am IPK, engagiert sich mit anderen jungen Wissenschaftlern seit Monaten bei den Klima-Protesten. Die werden an diesem Freitag mit einer Demo fortgesetzt, bei der die Teilnehmer ihre Plakate ins Netz stellen. Warum er dort mitmacht, was ältere Kollegen davon halten und wie er das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik sieht, hat er Christian Schafmeister im Interview erklärt.

  • Du hast mit anderen jungen Wissenschaftlern des IPK im September 2019 an den Klima-Protesten in Aschersleben teilgenommen und beteiligst Dich nun auch an diesem Freitag am Netzstreik von „Fridays for Future“. Was treibt Dich da an?

Die Antwort ist recht einfach. Ich bin Mitte 20 und möchte auch in 50 Jahren noch ein angenehmes Leben führen. Wenn allerdings viele Warnungen aus der Wissenschaft mit Blick auf die Folgen des Klimawandels weiter ignoriert werden, wird das nicht möglich sein, dann wird es für uns alle äußerst unbequem und ungemütlich werden. Daher möchte ich jetzt etwas tun, mich jetzt engagieren, damit wir langfristig gut leben können.

  • Wie verträgt sich dieses Engagement mit der Rolle des Wissenschaftlers, den viele immer noch als neutrale Instanz sehen. In diese Vorstellung passt der Forscher, der bei einer Demo mitmarschiert, nicht herein.

Die Politik trifft letztlich die Entscheidungen, dafür hat auch nur sie das Mandat. Die Wissenschaft liefert zunächst einmal nur die Grundlagen für mögliche Entscheidungen. Dennoch muss sich aus meiner Sicht die Wissenschaft auch vernehmbar in der Öffentlichkeit äußern, wenn grundlegende wissenschaftliche Prinzipien in der öffentlichen Diskussion in Frage gestellt werden. Und was die Proteste betrifft: Ich sehe mich dort nicht bloß als Wissenschaftler, sondern auch als Bürger. Da haben ältere Kolleginnen und Kollegen oft noch ein anderes Verständnis, das haben wir an den Reaktionen nach den Protesten 2019 gemerkt, auch am IPK.

  • Hat es die Wissenschaft einfacher als die Politik?

Würde ich nicht sagen, die Zielsetzung von Politik und Wissenschaft ist unterschiedlich. Die demokratische Politik muss einen Kompromiss zwischen verschiedenen widerstreitenden Interessen suchen, die Wissenschaft versucht sich der objektiven Wahrheit anzunähern. Wenn nun aber die Wissenschaft zu dem Ergebnis kommt, dass wir um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu beschränken, unsere CO2 Emissionen auf ein gewisses Maß senken müssen, können wir uns nur entscheiden ob wir das 1,5 °C-Ziel erreichen wollen, und wenn ja, dann wie. Bei der Frage, um wieweit wir unsere Emissionen reduzieren, sehe ich dann aber keinen Spielraum für Kompromisse - mit der Physik kann man keine Kompromisse machen.

  • Was ist aus Deiner Sicht das drängendste Problem?

Ganz klar die Frage der weltweiten Ernährungssicherung. Das ist die Grundlage für alles weitere. Um ausreichend Nahrungsmittel zu haben, brauchen wir aber vor allem Böden und Wasser. Leider gehen wir mit diesen beiden Ressourcen nicht gut um. Das können wir uns jedoch nicht leisten, zumal mit der Ernährung andere Punkte zusammenhängen, etwa soziale Fragen. Und Menschen, die hungern, können unbequem werden, es drohen weitere Konflikte.

  • Warum passiert da aus Deiner Sicht zu wenig?

Der Mensch kann sich oft nur auf ein Thema konzentrieren kann. Einmal geht es um das Klima, dann um Flüchtlinge, derzeit dreht sich alles um Corona. Das Problem ist: In Zukunft werden immer mehr Probleme gleichzeitig auftauchen. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir künftig immer schwerer auf vielfältige Herausforderungen reagieren können, die sich oft noch gegenseitig verstärken.

  • Klaus Töpfer hat kürzlich am IPK davor gewarnt, vorschnelle Entscheidungen unter dem Druck der Straße zu treffen, gar vor einer Ökodiktatur gewarnt.

Ja, er hat aber auch ausdrücklich den Protest von „Fridays for Future“ begrüßt und kritisiert, dass auch meine Generation, analog zu seiner Generation, den Preis für die Fehler der Vergangenheit zahlen muss. Das Problem ist, dass es über Jahrzehnte einen breiten Konsens bei der Nutzung von Atomenergie und Kohle gab. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Deshalb müssen wir auch schnell handeln, denn der Hebel, den wir ansetzen können, wird immer kürzer.

  • Treibt also auch die Ungeduld viele Junge auf die Straße wie bei den Protesten von „Fridays for Future“?

Ja, ganz klar. Nehmen wir das Beispiel Öl. Allen ist klar, wir müssen vom Öl wegkommen. Warum verändern wir das nicht sofort? Wir wollen nicht warten, bis der letzte Tropfen Öl verbraucht ist. Ähnlich verhält es sich mit der Kohle. Ich verstehe zwar, dass die Kohle für zahlreiche Menschen, gerade in den betroffenen Revieren, ein Symbol ist, das Identität stiftet und dass die Kohle lange sichere Arbeitsplätze geboten hat. Aber es ist eben eine alte Technologie, die zur Zerstörung der Umwelt beiträgt. Die Folgen müssen wir als junge Generation tragen.

  • Also ein klassischer Generationenkonflikt?  

Nein, darauf möchte ich es nicht reduzieren, das würde auch nichts bringen. Ich behaupte nicht, dass meine Generation in der Situation der Generation meiner Eltern oder Großeltern besser reagiert hätte. Es geht hier nicht um Jung gegen Alt, es geht auch nicht um historische Schuld und Verantwortung, sondern es geht um die heutigen Entscheidungen. Leider werden die noch immer häufig nicht schnell genug getroffen. Damit verlieren wir Zeit und Optionen. Optionen zu haben, ist jedoch auch essentiell für Entscheidungen in einer Demokratie. Und an dem Punkt teile ich auch die Meinung Klaus Töpfers.