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IPK Leibniz-Institut / L. Tiller
Tim Letkowski, der Herr der Roten Mauerbienen, bei der Arbeit in einem Gewächshaus
Der Herr der Roten Mauerbienen

Das IPK ist bei vielen Kulturarten auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Tim Letkowski erklärt, warum er für diese Aufgabe Milchpappen, Streichholzschachteln und Margarinebecher braucht.

Wer am IPK bei Tim Letkowski vorbeischaut, der wundert sich zunächst über die vielen, leeren und aufgeschnittenen Milchpappen, die eine neben der anderen aufgereiht an der Wand hängen. „Das sind die Einraumwohnungen, die wir anzubieten haben“, schmunzelt der 33-jährige Mitarbeiter der Sortimentsgruppe „Gemüse“. Und die Nachfrage nach den ungewöhnlichen Unterkünften ist enorm. Jedes Jahr gibt es 16.500 neue Bewohner. Viel Platz gibt es für sie aber nicht. Sie drängen sich dicht an dicht in einer leicht geöffneten Streichholzschachtel, die Tim Letkowski in die Milchpappen stellt.

Es geht um die Roten Mauerbienen, die Jahr für Jahr am IPK einen unverzichtbaren Dienst leisten und für die Bestäubung der verschiedensten Kulturen in den Gewächshäusern gebraucht werden. Meist geht es Ende Februar los. Dann liefert eine Imkerin 16.500 gekühlte Kokons ans Institut. Diese packt Tim Letkowski dann sofort in einen Kühlschrank. „Wir lagern die Kokons bei drei Grad. Wäre es dort wärmer, würden sie schlüpfen“, erklärt der IPK-Mitarbeiter, der inzwischen so etwas wie der „Herr der Mauerbienen“ ist.  Wer einen kurzen Blick hineinwirft, der entdeckt nach den Milchpappen ein weiteres Utensil, das auch im heimischen Kühlschrank steht: Maraginebecher. In jedem der Becher sind 1.000 Kokons.

Das Besondere an diesem Kühlschrank ist: auch beim „Anspringen“ der Kühlung vibriert er nicht. Das Kühlaggregat wurde ausgebaut und befindet sich im benachbarten Technikraum. Für die Lagerung der Kokons ist dieser „Stillstand“ absolut notwendig, da der Schlupfzeitpunkt der Bienen nicht nur durch Temperatur und Licht, sondern auch durch Erschütterung beeinflusst wird.

Ab Ende März werden die Roten Mauerbienen dann auf ihren Einsatz vorbereitet und kommen vor dem Wechsel ins Gewächshaus in einen zweiten Kühlschrank. Dort ist es mit sieben Grad ein wenig wärmer. „Die Insekten können sich so gut anpassen und wir führen sie langsam an die Bedingungen draußen heran.“ Eingesetzt für die Bestäubung werden die kleinen Helfer dann bis September. „Ich setze aber jede Woche neue Insekten aus und richte mich dabei auch nach dem Plan, der zuvor für die insgesamt 173 kleinen Gewächshauer erstellt worden ist“, erklärt Tim Letkowski. Wann und wo das passiert, entscheidet er aber auch nach seiner Erfahrung. Grundsätzlich braucht er zunächst einmal 25 Kokons pro Gewächshaus als Starterpopulation. Bei Bedarf werden dann im Laufe der Saison weitere Kokons eingesetzt.

Bevor er seine Runde startet, füllt Tim Letkowski die Kokons in einen Plastikbecher mit Luftschlitzen im Deckel. Die packt er dann ebenso in seine Umhängetasche wie einige der Streichholzschachteln und Bündel aus zusammengebundenen Röhrchen, in denen die Weibchen später ihre Eier ablegen. „Milchpappen, Streichholzschachtel und die Röhrchen, das ist quasi das Starter-Set für das Leben im Gewächshaus.“

Der Grund für den Einsatz der Roten Mauerbienen am Institut liegt auf der Hand. Bei einem großen Teil der Pflanzen erfolgt die Vermehrung generativ - also über Samen. Davon wiederum sind sehr viele auf Fremdbestäubung durch Insekten angewiesen. Um Kreuzungen innerhalb einer Art zu vermeiden, findet der Reproduktionsanbau auch unter kontrollierten Bedingungen in kleineren Gewächshäusern statt.

Früher gab es am IPK sogar eine eigene Arbeitsgruppe „Insektenanzucht“ und bis zum Jahr 2004 hatte das Institut noch einen eigenen Imker. Danach ging die Aufgabe an die Sortimentsgruppe „Gemüse“ über, die sich vor allem um Allium, Kohl und Rüben, aber auch um Salat, Möhren und Radieschen kümmert. „Wir haben seit 2005 dann Stück für Stück Erfahrungen mit den Roten Mauerbienen gesammelt und unser Wissen erweitert“, erklärt Karina Krusch, die sich in der Anfangszeit um die Roten Mauerbienen gekümmert hat.

Sie ist bis heute fasziniert von den Insekten. „Sie sind sehr feinfühlig und reagieren sofort auf Veränderungen der Temperatur und der Lichtverhältnisse.“ Bereits im Kokon seien die Roten Mauerbienen vollständig entwickelt. „Sie beißen sich dann aber durch und fressen sich quasi heraus.“ Und mit ihrem jährlichen Einsatz bei der Bestäubung ist sie dann eben auch für die Wissenschaft unentbehrlich. „Es ist schon toll, was die Natur alles kann und zu bieten hat.“

Tim Letkowski, der nach seiner Ausbildung als Gärtner am IPK 2014 in die Sortimentsgruppe „Gemüse“ kam, ist unterdessen wieder zurück in seinem Arbeitsraum mit den vielen, leeren Milchpappen an der Wand. „Wir sammeln das ganze Jahr über und bekommen dabei große Unterstützung aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen.“

Bleibt noch eine Frage: Was macht der 33-Jährige, wenn die Saison für seine Mauerbienen im September vorbei ist? „Danach muss ich selber Biene spielen“, erklärt er und holt aus einem Pappkarton einen bunten Staubwedel und aus einem Becher einen Make-up-Pinsel. „Damit streichele ich dann die Pflanzen.“ In diesen Genuss kommt dann übrigens vor allem der Kohl.