Die „Gatersleben Lecture“ ist die zentrale Vortragsreihe des Instituts und als Plattform für hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Aushängeschild für das IPK. Organisator Nils Stein spricht im Interview über das Konzept, die Vorbereitung und die veränderte Seminarkultur.
Was unterscheidet die „Gatersleben Lecture“ von den anderen Seminarreihen am IPK?
Vavilov-, Waterman-, Zellbiologie-Seminar und auch das Genetische Seminar sind eng mit einer Abteilung oder einem Wissensbereich verbunden. Mit der „Gatersleben Lecture“ wollen wir hingegen Kolleginnen und Kollegen aus allen vier Abteilungen ansprechen. Deshalb sollen die Sprecherinnen und Sprecher nicht nur fachlich exzellent sein, sie sollen auch sehr gute Kommunikationsfähigkeiten haben, damit sie ihre aktuelle Forschung einem sehr breiten Publikum verständlich vorstellen können.
Du hast ein großes internationales Netzwerk, aber an der Auswahl der Sprecherinnen und Sprecher sollen ja alle Gruppen beteiligt werden. Wie läuft das ab?
Meist bitte ich die Leiterinnen und Leiter aller Arbeitsgruppen im Spätsommer, mir für das nächste Jahr Vorschläge zu schicken. Ich schreibe aber auch das Postdoc und PhD Student Board an, für deren Vorschläge wir jedes Jahr einen Termin freihalten. Leider kamen von beiden Boards im vergangenen Jahr keine Vorschläge, ich hoffe, das war eine Ausnahme.
Die Rückmeldung aus den Gruppen kommt meist im September über die Sekretariate der Abteilungen. Im Oktober schicke ich Voreinladungen an die gewünschten Sprecherinnen und Sprecher heraus. Und die formellen Einladungen verschickt Nicole Wahle, sobald wir für alle Termine jemanden haben. Anders als früher haben wir somit früh ein Jahresprogramm.
Das klingt nach viel Arbeit.
Ja, das ist es auch, aber für eine Einrichtung unseres Formats und mit unserem Anspruch gehört eine solche Vortragsreihe einfach auch dazu.
Wann ist die Idee zu der Vortragsreihe entstanden und vor allem: wer hatte sie?
Die „Gatersleben Lecture“ hat es bereits Ende der 1990er am IPK gegeben. Die Reihe wurde zunächst durch Uwe Sonnewald organisiert, damals Leiter der heutigen Abteilung „Physiologie und Zellbiologie“, und später von den Geschäftsführenden Direktoren Ulrich Wobus und Andreas Graner.
Seit wann organisierst Du die „Gatersleben Lecture“?
Ich habe die Organisation der Vortragsreihe 2016 übernommen und schon zuvor das Format zusammen mit Patrick Schweizer weiterentwickelt. Uns ging es darum, die Organisation zu straffen und in einer Hand zu belassen. Eine Zeitlang ist bei der Auswahl der Sprecherinnen und Sprecher vieles auf Zuruf gelaufen; mal hat es deutlich mehr, aber manchmal auch deutlich weniger Vorträge gegeben. Heute haben wir meist nur noch einen Vortrag im Monat, laden dafür aber meist nur echte Hochkaräter ein.
Was hat sich noch verändert?
Es geht bei der „Gatersleben Lecture“ um weit mehr als einen exzellenten Vortrag. Daher haben wir auch eine „Nachsitzungskultur“ eingeführt, die ich während meiner Zeit an der Universität Zürich kennen und schätzen gelernt habe. Alle haben im Anschluss die Chance zum Austausch mit der Sprecherin oder dem Sprecher - sei es bei einer Tasse Kaffee, sei es bei einem persönlichen Gespräch. Das gilt ausdrücklich auch für unsere jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Grundsätzlich sollen die Sprecherinnen und Sprecher mindestens einen Tag am IPK verbringen, das Institut kennenlernen und ihr Netzwerk erweitern. So werden die Sprecher auch zu Multiplikatoren für das Institut und unsere Forschung.
Welche weiteren Möglichkeiten eröffnen sich?
Wir wiederum haben so auch die Möglichkeit, uns interessante Leute anzuschauen, die wir später möglichweise für das IPK gewinnen wollen. Aber zunächst geht es vor allem darum, auch exzellente Leute kennenzulernen, häufig auch aus Bereichen, die nicht unmittelbar etwas mit der Pflanzenforschung zu tun haben. Ich persönlich finde das sehr inspirierend.
Matthew Moscou aus den USA, Meredith C. Schumann aus der Schweiz und Tom Bennett aus Großbritannien - die Liste der Sprecherinnen und Sprecher war auch im vergangenen Jahr wieder prominent und international besetzet. Welcher Vortrag hat Dich am meisten beeindruckt?
Am meisten beeindruckt hat mich 2024 Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen. Er beschäftigt sich mit der Evolutionsgeschichte, untersucht aber nicht mehr fossile Knochen, sondern die Umwelt DNA aus Sedimenten, die aus unberührten Seen stammen. Die DNA ordnet er bereits bekannten Referenzsequenzen zu und rekonstruiert auf diese Weise die Entwicklung von Flora und Fauna.
Mit welchem Vortrag startet die diesjährige Vortragsreihe? Und wann geht es los?
Wir starten am 11. Februar mit Gwyneth Ingram vom CNRS in Lyon und schließen die Reihe, die in diesem Jahr zehn Vorträge umfasst, am 11. Dezember mit Sarah E. O’Connor vom Max Planck Institut für chemische Ökologie in Jena. Und ich freue mich auch persönlich schon auf viele exzellente Vorträge.
Speziell für PhD-Studenten und junge Postdocs muss es aber doch eine tolle Sache sein, fast jeden Monat einen hochkarätigen Vortrag am IPK hören zu können.
Das sehe ich auch so. Ich habe schon als Student und Doktorand diese Form von Seminaren und im Nachgang die Möglichkeit des Austausches mit den eingeladenen Sprechern für enorm bereichernd empfunden.
… aber?
Die Seminarkultur hat sich insgesamt sehr verändert - und das nicht zum Guten. Der Trend zum reinen Konsumieren wurde durch die Möglichkeit, Vorträge auch über Zoom verfolgen zu können, noch verstärkt. Interaktion und Austausch sind via Zoom nicht so möglich wie bei einer Präsenzveranstaltung, aber natürlich gerade für junge Forscherinnen und Forscher von enormer Bedeutung. Diese Chance sollten die „Early career scientists“ aber auch nutzen.
Es ist aber auch eine Frage des Respektes gegenüber der Sprecherin oder dem Sprecher, ob ich vor Ort dabei bin - oder eben nicht. Ich persönlich finde es z.B. auch immer sehr gut, wenn ich als eingeladener Sprecher an anderen Orten direkt nach meinem Vortrag eine Rückmeldung bekommen und so erfahre, ob ich mein Anliegen gut verständlich an die Zuhörerschaft bringen konnte oder auch was ich beim nächsten Mal besser machen sollte, worüber ich vielleicht selber nochmal intensiver nachdenken sollte.
Auch erfolgreiche Formate wie die „Gatersleben Lecture“ müssen immer weiterentwickelt werden. Was ist da geplant?
Wer eine Sprecherin oder Sprecher vorschlägt, soll künftig mehr Verantwortung bekommen. Das heißt konkret, sie oder er soll auch die Diskussionsleitung übernehmen. Ich glaube, dass gibt den Veranstaltungen auch eine sehr persönliche Note, weil sich Sprecher und Gastgeber meist schon lange kennen.
Und wen möchtest Du unbedingt noch für einen Vortrag ans IPK holen?
Das ist ein weites Feld und es geht hier nicht um mich, aber wir sollten vermehrt Ausschau halten, nach Vortragenden aus Forschungszweigen, die für die zukünftige Entwicklung des IPK von erheblicher Bedeutung sind.
Info: Das Jahresprogramm der „Gatersleben Lecture“ 2025 finden Sie hier.