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IPK/ Andreas Bähring
Evelin Willner vor dem Lehrgarten für Futterpflanzen in Malchow
Die Hürdenläuferin

Der IPK-Standort Malchow auf der Insel Poel ist Evelin Willner ans Herz gewachsen. Dabei hat die Kuratorin des Öl- und Futterpflanzensortimentes allerdings auch so manch eine Herausforderung bewältigen müssen. Die geplante Modernisierung soll für sie nun ein krönender Abschluss werden.

Hört man Evelin Willner eine Zeit lang zu, wird eines klar: Aufregend ist ihr bisheriges Leben immer gewesen. Wie in den 1990er Jahren. Damals führten sie Sammelreisen nach Polen, Kroatien, Spanien, Frankreich und Irland. „Eigentlich war ich jedes Jahr unterwegs“, berichtet die Kuratorin der Sortimente Öl- und Futterpflanzen des IPK Leibniz-Institutes in Malchow auf der Insel Poel. „Die aufregendste und härteste Tour hatte ich 1998 in Bulgarien.“

„Dort ging es drei Wochen lang ohne Unterlass mit dem geliehenen Auto eines Züchterkollegen, das uns dann in der letzten Nacht noch entwendet wurde, quer durch das Land, im Süden die Rodopen hoch und runter, entlang der Schwarzmeerküste im Osten und Donauwiesen im Norden sowie in der trakischen Ebene“, erzählt die 61-Jährige. „Am Ende aber hatten wir insgesamt 1.000 Proben für die Genbank gesammelt, darunter 300 Gräsermuster.“ 2017 führte sie eine Sammelreise in die Schweiz. Dort ging es 14 Tage lang mit dem Rucksack die Berge hoch und runter.

Von der damaligen Ausdauer und Energie hat Evelin Willner bis heute kaum etwas verloren. Voller Begeisterung führt sie den Besucher durch den neuen Lehrgarten in Malchow. Wiesenrispe, Weiches Honiggras oder Rotklee - an fast jeder Parzelle hat sie eine Geschichte zu einem der dort angebauten Gräser- und Kleegrasmischungen parat. Kaum hat sie erklärt, dass die Tragblätter den Rot- vom Weißklee unterscheiden, ist sie schon bei ihrer neusten Leidenschaft: „Seit einiger Zeit sammele ich Rotkleeblüten und mache daraus Tee, schmeckt ganz wunderbar.“

Die temperamentvolle Wissenschaftlerin hat aber auch so manch schwierige Situation meistern müssen. Auch da haben ihr bisher immer ihre Ausdauer, ihre Zähigkeit und ihr Kämpferherz geholfen. „Ich war schon in der Schule eine gute Läuferin, 800 Meter und Cross“, berichtet Evelin Willner, die aus dem kleinen Ort Lüffingen in der Altmark stammt und von 1980 bis 1985 in Halle Pflanzenzüchtung und Saatgutproduktion studierte. Zur Wendezeit stand der Standort in Malchow, an dem Evelin Willner zu der Zeit Leiterin der Versuchsstation war, auf der Kippe. Erst die Entscheidung der Evaluierungskommission von Bund und Ländern brachte die Wende. Der Standort und die Sortimente des IÖF in Malchow, dem Institut für Öl- und Futterpflanzenzüchtung, wurde im Januar 1992 mit der Genbank des heutigen IPK Leibniz-Institutes zusammengeführt. „Das war für uns die entscheidende Weichenstellung.“

Die nächste Bewährungsprobe folgte Ende der 1990er Jahre. Mecklenburg-Vorpommern hatte im Jahr 1998 bereits die Förderung aus dem Landeshaushalt gestrichen. Die Kündigungen lagen damals schon beim Personalwesen in der Schublade. „Wir haben hart gekämpft, im Landtag eine Ausstellung gezeigt und die Züchter für uns eingespannt.“ Die Wende brachte ein Gespräch mit Till Backhaus (SPD), damals Vorsitzender des Agrarausschusses im Landtag. „Er hat uns versprochen, dass wir nicht fallengelassen werden.“ Möglich wurde das durch eine Regelung zur Finanzierung der Institute der so genannten Blauen Liste. Danach müssen die Bundesländer Außenstandorte von Instituten, die auf ihrem Gebiet liegen, mitfinanzieren. „Das war unser großes Glück, wir haben jedoch auch gekämpft wie Don Quichotte.“  

Heute umfasst der Bestand in Malchow rund 14.500 Muster, davon mehr als 10.000 Gräser, 2.500 Ölpflanzen sowie 1.300 Muster Rotklee und Luzerne. Dass sich dieses große Sortiment der Öl- und Futterpflanzen seit vielen Jahrzehnten auf der Insel Poel befindet, ist kein Zufall. „Das ausgeglichene Klima mit milden Wintern und nicht so heißen Sommern sowie der maritime Einfluss sorgen für gute Bedingungen.“ Ihren Arbeitsplatz mit Blick auf die Ostsee weiß die 61-jährige Kuratorin ebenso zu schätzen wie ihre Kollegen, vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zwei Saisonkräfte und zwei oder drei Projektmitarbeiter. „Während der Wende haben hier noch mehr als zehn Leute gearbeitet. Den Neustart musste ich mit drei Kollegen organisieren. Das war schon eine harte Zeit, daher freue ich mich, dass wir langsam wieder die alte Größe erreichen.“

„Der Standort ist mir über all die Jahre wirklich sehr ans Herz gewachsen und ist gewissermaßen zu meiner Station und meinem Lebenswerk geworden“, sagt Evelin Willner. Dabei hat die Faszination für die Gräser über die Zeit nicht nachgelassen. „Gras habe ich durch die Arbeit lieben gelernt. Und ohne Gras wäre die Welt ziemlich braun.“ Die Kuratorin aber steht mehr auf bunte Vielfalt wie auf einer großen Almwiese und streicht deren Bedeutung heraus. „Die Wiesen binden viel Kohlenstoff und können sogar CO2-Senken werden, verbessern die Bodenqualität und halten das Wasser.“ Aber auch für die Tiere spielen Wiesen und Weiden eine wichtige Rolle. „Allein jedes Pferd braucht einen halben Hektar Grünland. Und Grünland schafft den Lebensraum für zahlreiche Insekten und Mikroorganismen.“

Jetzt steht jedoch die nächste Herausforderung an. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat für die Modernisierung der zwei Standorte der Arbeitsgruppe Teilsammlungen Nord in Malchow und Groß Lüsewitz drei Millionen Euro in Aussicht gestellt. „Nun liegt es an uns, dieses Geld zu nutzen und die geplanten Maßnahmen fristgerecht umzusetzen“, sagt Evelin Willner. „Das wäre ein krönender Abschluss meiner Zeit, denn ich möchte in Malchow irgendwann ein geordnetes Haus übergeben.“

Vielleicht ist es ja ein gutes Omen für das Vorhaben, dass Till Backhaus (SPD), der schon 1998 dem Standort in Malchow seine Unterstützung versprochen hatte, bis heute Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern ist.