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IPK Leibniz-Institut/ J. Himpe
Nicolaus von Wirén begrüßte die Gäste im Hörsaal.
Wissenschaft hautnah

Mehrere hundert Besucherinnen und Besucher sind am Sonnabend zum Tag der offenen Türen ans IPK gekommen. Sie erwartete neben einem Festvortrag zum Thema „Architektur der Kulturpflanzen“ eine Vielzahl an Führungen, Experimenten und Infoständen. Und auch die Kinder kamen wieder auf ihre Kosten.

 

„Teilen, wir müssen die Gruppe noch einmal teilen“, rief Thomas Altmann am Samstag um 11.30 Uhr seinem Kollegen Markus Kuhlmann zu, als er die große Schar an Leuten sah, die sich vor dem „Casino“ versammelt hatte und auf eine Führung durch die „PhänoSphäre“ wartete. Doch selbst die geteilte Gruppe umfasste immer noch rund 50 Leute, die einen Einblick in die weltweit einzigartige Anlage bekommen wollten. Das Besondere an dieser Anlage: Dort können Umweltbedingungen wie Licht, Temperatur, Wind und CO2-Gehalt kontrolliert und wiederholbar eingestellt werden. Und dann wird geschaut, wie sich die Pflanzen in Containern und Wurzelkästen, sogenannten Rhizotronen, unter bestimmten Stressbedingungen entwickeln. „Mit hochmodernen Kamerasystemen messen wir dabei Dinge, die wir mit dem bloßen Auge nicht sehen oder mit einem Zollstock nicht messen können“, erklärte Thomas Altmann, Leiter der Abteilung „Molekulare Genetik“. Und das zeigte er den Besucherinnen und Besuchern am Tag der offenen Türen anschaulich anhand großer Bilder der Wurzeln von Mais und Zuckerrübe. „Die Wurzel der Zuckerrübe wächst schneller und tiefer in den Boden“, sagte Thomas Altmann. Grundsätzlich gehe es darum, zu erkennen, wie die Wurzeln auf unterschiedliche Umweltbedingungen reagieren.

Und was haben ein Dackel und eine Weizenpflanze gemeinsam? Diese Frage stellte und beantwortete Thorsten Schnurbusch in seinem Festvortrag zur „Architektur von Kulturpflanzen“ im voll besetzten Hörsaal. Beide sind das Ergebnis einer Domestikation, also der Anpassung an die Bedürfnisse des Menschen. Der Dackel stammt dabei vom Wolf ab, dessen Domestikation vor 25.000 Jahren in Sibirien begann. Und der Weizen ist das Ergebnis einer spontanen genetischen Verschmelzung der Genome des wilden Emmers mit dem Ziegengras. Unser heutiges Getreide entstand vor rund 10.000 Jahren in der Region des sogenannten Fruchtbaren Halbmondes, eine sichelförmige, niederschlagsreiche Region, die sich vom Persischen Golf über den Nordirak, Syrien, Libanon, Israel, Palästina und Jordanien erstreckt.

„Die Bruchfestigkeit der Spindel ist ein Schlüsselmerkmal dieser Domestikation unserer Getreide“, erklärt der Leiter der Arbeitsgruppe „Pflanzliche Baupläne“. Dank der Festigkeit der Spindel bleiben die Körner am Halm und können geerntet werden, ohne vorher herauszufallen. „Damit liegt aber auch die Fortpflanzung der nächsten Generation in den Händen des Menschen. Auch der Dackel, der ebenfalls an die Bedürfnisse des Menschen angepasst ist, könnte im Gegensatz zum Wolf in der Natur nicht überleben.

In seinem geschichtlichen Abriss zeigte Thorsten Schnurbusch auch, wie die Erträge des heutigen Getreides im Laufe der Zeit gesteigert werden konnte. Zunächst leicht mit der Einführung der Drei-Felder-Wirtschaft, später erheblich stärker durch die Einführung des Kunstdüngers Anfang des 20. Jahrhunderts. Einen noch größeren Effekt hatte dann die erfolgreiche Züchtung kurzstrohiger Weizensorten in den 1960-er Jahren im Zuge der „Grünen Revolution“. „Die Einführung sogenannter Halbzwerge durch den Amerikaner Norman Borlaug war eine absolute Sensation und hat rund einer Milliarde Menschen, insbesondere im asiatischen Raum, dem damaligen Hotspot des Bevölkerungswachstums, das Leben gerettet.“ Dafür sei Borlaug im Jahr 1970 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.

In seiner Begrüßung machte der Geschäftsführende Direktor des Instituts, Nicolaus von Wirén, auf die Herausforderungen aufmerksam, denen wir alle in Zeiten des Klimawandels gegenüberstehen. „Wir als Wissenschaftler sind auf der Suche nach Lösungen, also etwa nach Pflanzen, die besser mit Hitze, Dürre und Trockenheit zurechtkommen und auch resistent gegen Krankheiten sind“, erklärte der Leiter der Abteilung „Physiologie und Zellbiologie“. „Letztlich geht es um die Frage, welchen Lebensraum wir unseren Kindern hinterlassen.“ Unter Hinweis auf die Europawahl verwies Nicolaus von Wirén auf die Belegschaft des Instituts. „Unsere wissenschaftliche Exzellenz hängt ganz wesentlich ab von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aus über 40 Ländern stammen. Ohne sie wäre der wissenschaftliche Fortschritt in der bisherigen Form nicht möglich.“ Ihre Arbeit würde außerdem dafür sorgen, dass Jahr für Jahr Fördergelder in Millionenhöhe in die Region fließen. Ein ausländer- und wissenschaftsfeindliches Klima könne die bisherigen Erfolge gefährden.

Bunt und vielfältig ging es nach dem Auftakt im Hörsaal, der mit einem mit viel Applaus bedachten Auftritt des Chorprojektes „IPK Singing“ endete, auf dem gesamten Campus weiter. Die „Wunderbare Welt der Heilpflanzen“ und die „Schätze aus dem Norden, die Präsentation der Teilsammlungen Nord, waren ebenso große Publikumsmagneten wie zahlreiche Klassiker, darunter die „Eisigen Welten“ mit dem Thema Kryokonservierung. Großen Andrang gab es auch an den Infoständen der auf dem Campus ansässigen Firmen.  Und die Kinder kamen nicht nur an der Bastelstation der Grundschule „Käthe Schulken“ und dem Kinderschminken auf ihre Kosten, sondern waren auch fasziniert von den ausgestellten landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen.