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IPK Leibniz-Institut
Nach der EU-Kommission hat nun auch das EU-Parlament für eine Neuregelung der Nutzung der NGT gestimmt.
IPK begrüßt Votum des EU-Parlaments zu NGT

Nach der EU-Kommission 2023 hat sich heute auch das EU-Parlament für eine Neuregelung der Nutzung sogenannter Neuer Genomischer Techniken (NGT) ausgesprochen. „Wir begrüßen die Entscheidung außerordentlich und freuen uns, dass nunmehr auch die Parlamentarier viele Empfehlungen aus der Wissenschaft aufgenommen haben, wie sie beispielsweise die Leopoldina in ihrer Stellungnahme zur Reform des Gentechnikrechts schon 2019 formuliert hat“, erklärte Prof. Dr. Nicolaus von Wirén, Geschäftsführender Direktor des IPK Leibniz-Institutes.

Neben der Leopoldina und der Deutschen Forschungsgemeinschaft macht sich auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger stark für die NGT. „NGT sind eine riesige Chance, die wir nutzen müssen. Der bisherige Rechtsrahmen ist veraltet und wissenschaftlich überholt. Es ist deshalb höchste Zeit, das EU-Gentechnikrecht ins 21. Jahrhundert zu holen“, sagte die Ministerin.

Damit haben jetzt zwei zentrale EU-Organe einer Neuregelung zugestimmt. Noch steht jedoch eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Rates aus. „Ich bin aber zuversichtlich, dass die Positionierungen der Kommission und des Parlaments auch eine Signalwirkung für die Beratungen im Ministerrat hat“, erklärte Prof. Dr. Nicolaus von Wirén. Soll eine Neuregelung für die Nutzung von NGT-Pflanzen noch vor der Europawahl im Juni verabschiedet werden, müsste eine Einigung bis spätestens Mitte März erzielt werden.

Schon seit Jahrzehnten sind Methoden der genetischen Veränderung von Kulturpflanzen - die Mutagenese durch Bestrahlung oder Chemikalien - von der Regulierung und Kennzeichnung nach Gentechnikrecht ausgenommen, obwohl auch Produkte dieser Techniken nach dem EU-Recht als gentechnisch verändert gelten. „Es wäre deshalb konsequent, dass Pflanzen mit vergleichbaren genetischen Veränderungen, die mittels NGT erreicht wurden, genauso behandelt werden, wie Pflanzen, deren Entstehung auf diesen herkömmlichen Mutagenese-Verfahren beruht“, sagte Dr. Jochen Kumlehn, Leiter der Arbeitsgruppe „Pflanzliche Reproduktionsbiologie“ am IPK. „Gleiche Pflanzen würden demnach gleich reguliert.

Die EU-Kommission hatte bereits im Juli 2023 ihre Gesetzesinitiative zur Regulierung von NGT-Pflanzen in der Pflanzenforschung und -züchtung vorgestellt. Dem war ein mehrjähriger Prozess vorausgegangen, an dessen Ende die Kommission feststellte, dass der einst für gentechnisch veränderte Pflanzen geschaffene gesetzliche Rahmen nicht geeignet ist, NGT-Pflanzen zu regulieren. Die Kommission hatte den NGT zudem bereits 2021 ein großes Potenzial für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele des „Green Deal“ bescheinigt.  Zu den NGT zählt auch die Genom-Editierung mittels CRISPR-Cas (die sogenannte Genschere), deren Erfindung 2020 mit dem Chemienobelpreis gewürdigt wurde.

Künftig soll es zwei Kategorien für Pflanzen geben, die unter Anwendung der NGT entstanden sind. Kategorie 1 gilt für Pflanzen mit genetischen Veränderungen (Mutationen), wie sie auch auf natürliche Weise, d.h. durch spontane Mutationen, oder durch herkömmliche Züchtungsmethoden entstehen könnten. Dies schließt auch cis-genetische Ansätze mit ein, d.h. die Übertragung von Genabschnitten aus kreuzbaren verwandten Arten. Alle diese Pflanzen unterliegen einer Anzeigepflicht bei den zuständigen nationalen Behörden, werden dort nach bestem Stand des Wissens beurteilt und sollen genauso behandelt werden wie konventionell gezüchtete Pflanzen. Dies schließt eine mehrjährige Überprüfung unter Feldbedingungen zur Erteilung einer Sortenzulassung ein. Pflanzen mit komplexeren Veränderungen fallen in Kategorie 2, die sich an der bisherigen Gentechnik-Regulierung orientiert. Darunter fallen insbesondere Pflanzen, in die Gene aus fremden Arten übertragen wurden, sogenannte transgene Pflanzen. Selbst über NGT hergestellte herbizidtolerante Pflanzen der Kategorie 1 sollen unter die Kategorie 2 fallen.

„Damit räumt das EU-Parlament dem Einsatz der NGT für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele höchste Priorität ein.“ sagte Prof. Dr. Nicolaus von Wirén. „Es geht jetzt wirklich darum, diese Technologie zum Nutzen und Wohl der Gesellschaft und Umwelt einzusetzen. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass es keine Patente auf NGT1-Pflanzen geben soll. Damit können auch Landwirte und Züchter diese Pflanzen nutzen, so wie es der bisherige Sortenschutz regelt.“

Prof. Dr. Nicolaus von Wirén weist darüber hinaus auf zwei große Vorteile der NGT hin. „Mit diesen Techniken können wir deutlich präziser arbeiten. Und dadurch, dass aufwändige Rückkreuzungen entfallen, lässt sich der Zeitbedarf für die Züchtung erheblich verkürzen“, so der Agrarbiologe. „Das ist wichtig, weil es jetzt vor allem um die schnelle Anpassung der Kulturpflanzen an das sich verändernde Klima und den verringerten Einsatz von Agrochemikalien geht.“

In einem offenen Brief hatten zuletzt 35 Nobelpreisträger und mehr als 1.200 europäische Wissenschaftler an die Mitglieder des Europäischen Parlaments appelliert, die Neuregulierung von NGT-Pflanzen zu unterstützen. Die Unterzeichner argumentieren, die Genom-Editierung habe in der Pflanzenzüchtung das Potenzial, den Einsatz von Pestiziden und Dünger in der Landwirtschaft drastisch zu reduzieren und gleichzeitig die Ernährungssicherheit durch das Schaffen klimaresilienter Pflanzensorten zu erhöhen.


Hier die aktuelle Pressemitteilung des EU-Parlaments