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Christoph Dockter
Udda Lundqvist und Christoph Dockter
Bier, Wissenschaft - und eine ganz besondere Familie

Carlsberg ist nicht nur als Biermarke weltbekannt, sondern hat seit 1875 auch ein Forschungszentrum, mit dem das IPK seit Jahren kooperiert. Was aber kaum einer weiß: Seit fast 90 Jahren gibt es auch eine Verbindung zu einer Familie, die die Geschicke des Carlsberg Forschungszentrums und des Instituts maßgeblich mitbestimmt hat.

Es ist eine ganz besondere Frau, mit der sich Christoph Dockter im Juni 2014 auf den Weg von Kopenhagen nach Wernigerode macht. Für den Wissenschaftler, der nach Studium und Promotion an der Universität Mainz an das Carlsberg Forschungszentrum (Carlsberg Research Laboratory) in Kopenhagen wechselt, ist Udda Lundqvist schlichtweg die „Königin der Gerste“. „Sie hatte nicht nur mehrere Jahrzehnte Erfahrung in der Forschung mit Gerstenmutanten, sondern auch einen außergewöhnlichen Charakter“, erinnert sich Christoph Dockter an seine berühmte Begleiterin, mit der er damals eine EUCARPIA-Tagung in Wernigerode besuchte. „Ich durfte einige Jahre mit ihr zusammenarbeiten. Oft saß sie dann auf einem Klappstuhl am Feldrand, und ich zeigte ihr einzelne Pflanzen“, erzählt der Wissenschaftler. Sie war eine Respektsperson, eine echte Autorität, und sie ist mit ihrer Erfahrung jungen Kollegen wie mir wohlwollend, wenn auch manchmal belehrend begegnet.“ 

Auch dem IPK stand die Wissenschaftlerin stets mit Rat und Tat zur Seite und ließ es sich auch im hohen Alter nicht nehmen, 2013 zum 70-jährigen Institutsjubiläum aus Schweden nach Gatersleben zu kommen. Doch nicht nur Udda Lundqvist hat eine enge Verbindung zum Institut, sondern auch ihre gesamte Familie. Diese reicht bis in die 1930er Jahre zurück. 

Ihr Vater Fritz von Wettstein setzte sich für Hans Stubbe ein, den späteren Gründungsdirektor des heutigen IPK. Als nationalsozialistisch gesinnte Mitarbeiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Züchtungsforschung in Müncheberg Stubbe „politische Unzuverlässigkeit“ vorwarfen und er fristlos entlassen wurde, beschäftigte ihn Fritz von Wettstein bis 1943 als wissenschaftlichen Mitarbeiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin-Dahlem. Der Bruder von Udda Lundqvists, Diter von Wettstein, war später Mitglied in der Gründungskommission des IPK und von 1992 bis 1995 erster Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts. Doch damit nicht genug: Von 1972 bis 1996 war Diter von Wettstein auch Professor am Forschungszentrum von Carlsberg in Kopenhagen - also genau dort, wo heute Christoph Dockter tätig ist.   

Die Geschichte des Forschungszentrums geht auf den Carlsberg-Gründer J.C. Jacobsen zurück. Er gründete nach der Brauerei 1847 im Jahr 1876 auch eine Stiftung. Diese hält nicht nur die Mehrheit an der weltbekannten dänischen Brauerei, sondern unterstützt auch Wissenschaft und Kunst. So unterhält die Stiftung unter anderem das Nationalhistorische Museum im Schloss Frederiksborg und die Ny Carlsberg Glyptotek im Zentrum Kopenhagens. Heute fließen fast 30 Prozent der Dividende der Carlsberg-Gruppe in Wissenschaft, Kunst und Initiativen für mehr Nachhaltigkeit. „J.C. Jacobsen war wirklich ein Visionär“, bekräftigt Christoph Dockter. Natürlich sollte mit den Erkenntnissen aus dem Forschungszentrum auch der Brauprozess verbessert werden. Geforscht wurde aus dem Grund unter anderem zu reiner Brauhefe oder dem idealen Proteingehalt der Gerste. „Aber auch das Konzept des pH-Wertes wurde bei uns in Kopenhagen entwickelt“, erklärt Christoph Dockter, heute Leiter einer Arbeitsgruppe im Forschungszentrum von Carlsberg. Als er im Jahr 2009 nach Kopenhagen wechselte, bekam er eine Postdoc-Stelle bei Mats Hansson und reiht sich so in die lange Tradition ein. Denn Mats Hansson war wiederum der letzte Postdoc bei Diter von Wettstein. 

Doch nicht nur die Familie von Wettstein hat sehr lange Verbindungen zum IPK, sondern auch das Carlsberg Forschungszentrum. So gab es gemeinsame Veröffentlichungen zum Zeitpunkt der Blüte (2012), zum Ähren- (2015) oder Halmaufbau (2018) der Gerste. 2017 folgte dann eine Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“. In dieser ging es um die Entschlüsselung des ersten vollständigen Genoms der Gerste. Die Federführung bei der Studie hatte das IPK, doch das Carlsberg Forschungszentrum übernahm die Kosten für die Entschlüsselung eines der insgesamt sieben Chromosomen. Die enge Zusammenarbeit, insbesondere mit Nils Stein und Martin Mascher, setzt sich fort. Im Jahr 2020 folgte mit der vollständigen Sequenzierung von 20 Genotypen ein erster Schritt hin zum Pangenom der Gerste. Also der Entschlüsselung der gesamten genetischen Vielfalt der Spezies „Gerste“. 2024 folgte eine weiterführende Studie zum Pangenom der Gerste, die ebenfalls in „Nature“ veröffentlicht wurde, wieder in Zusammenarbeit mit dem Carlsberg Forschungszentrum und Christoph Dockter als einem der Hauptautoren.

„Ich bin mir der Tradition des Carlsberg Forschungszentrums sehr bewusst und weiß, dass ich an einem geschichtsträchtigen Ort arbeite“, betont Christoph Dockter. Er denkt dabei an seine Erfahrungen mit Udda Lundqvists ebenso wie an die Forschungen ihres Bruders Diter von Wettstein in den 1950er Jahren zum Halmaufbau und zur Standfestigkeit spezieller Gerstenmutanten. „Aus heutiger Sicht ist es faszinierend, welche Schlüsse er damals schon zog, ohne des genaue Gen zu kennen.“ „Das besagte Gen, das in einer komplexen Region des Genoms liegt, hat Mats Hansson leider erst 2021 entdeckt, also wenige Jahre nach Diter von Wettsteins Tod im Jahre 2017.“

Heute beschäftigt sich Christoph Dockter mit angewandter Forschung zur Verbesserung des Brauprozesses, aber auch mit Grundlagenforschung - beides also genau wie damals zur Zeit der Gründung der Stiftung und des Forschungszentrums. Beides gehe für ihn Hand in Hand, sagte er und denkt auch an die Getreidegenomforschung, die ohne die Erfahrungen aus der Mutantenforschung auch nicht so erfolgreich hätte werden können. Und genau dieser Weg, die Verknüpfung von Mutations- und Genomforschung, wird seit diesem Frühjahr in einem weiteren Projekt fortgeführt. Ziel des IPK ist es, die vorhandenen Ressourcen an Genomen und Transkriptomen zu erweitern. Das Carlsberg Forschungszentrum unterstützt nicht nur dieses Projekt, in dem an klimaresistenter Gerste geforscht wird mit zahlreichen Gerstenmutanten, sondern auch eines von Thorsten Schnurbusch. 

Christoph Dockter freut sich jedoch nicht nur, dass mit solchen Projekten die Tradition von Udda Lundqvist, der „Königin der Gerste“ fortgesetzt wird, sondern auch über einen ganz besonderen Geburtstag, der in diesem Jahr gefeiert wird:  Das Forschungszentrum wird 150 Jahre alt! Na dann: Prost - sicher mit einem echten Carlsberg!

Mehr Infos: 

https://www.carlsberggroup.com/who-we-are/carlsberg-research-laboratory/