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IPK Leibniz-Institut/ L. Tiller
Neben Diskussionen und Vorträgen besuchten die Journalistinnen und Journalisten auch die Genbank, die PhänoSphäre und mehrere Labore.
Journalistenkolleg zur "Grünen Gentechnik"

Spätestens seit dem Vorschlag der EU-Kommission zur Neuregelung des europäischen Gentechnikrechts ist das Thema „Grüne Gentechnik“ in aller Munde. Die Neuen Genomischen Techniken (NGT), wie es präzise heißt, beschäftigen nicht nur die Politik, sondern auch die Wissenschaft und Interessenverbände - und nicht zuletzt natürlich uns alle als Verbraucherinnen und Verbraucher. Grund genug für das IPK Leibniz-Institut und das Exzellenzcluster CEPLAS zu einem Journalistenkolleg zu dem Thema einzuladen. Beide Partner kooperieren seit Juni 2023 bereits intensiv in TRANSCEND - einer neuen Allianz für die Pflanzenwissenschaften, die vom Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) politisch unterstützt wird.

Und das Interesse an dem Thema war sehr groß. So kamen Anfang dieser Woche nicht nur Redakteure von überregionalen Medien wie dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung und Fachmedien wie Spektrum der Wissenschaft und Table Media nach Gatersleben, sondern auch regionale Medien wie der MDR und die Mitteldeutsche Zeitung und eine Reihe freier Wissenschaftsjournalisten. „Wir wollten das Thema ganz bewusst nicht nur aus der Sicht der Wissenschaft betrachten, und haben deshalb Referentinnen und Referenten eingeladen, die auch politische, rechtliche, ethische sowie wirtschaftliche Aspekte beleuchten konnten“, erklärt Lisa Schlehuber, Veranstaltungsmanagerin am IPK. 

So erläuterte Prof. Dr. Hans-Georg Dederer nicht nur die beiden Kategorien NGT1 und NGT2 des Kommissionsvorschlags, sondern ordnete auch wichtige Begriffe wie den Besorgnisanlass, das Vorsorgeprinzip und das Risikoprofil von NGT1 und zufälliger Mutagenese in die aktuelle Debatte ein. Die Stimme des Inhabers des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Passau hat Gewicht. Hans-Georg Dederer ist bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft wissenschaftliches Mitglied der Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung und hat sich erst kürzlich bei einem Parlamentarischen Abend klar positioniert. 

„Der Wissenschaft rennt die Zeit davon. Selbst wenn der Rat der EU und das Europäische Parlament im kommenden Jahr dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission zustimmen, würde es immer noch zwei Jahre ab dem Inkrafttreten der Verordnung dauern, bis deren Regelungen anwendbar sind“, betonte Hans-Georg Dederer. „Und bis dahin profitieren europäische Forscherinnen und Forscher nicht von erleichterten regulatorischen Bedingungen für Arbeiten mit NGT-Pflanzen, anders als viele ihrer außereuropäischen Kolleginnen und Kollegen.“

Sein Kollege Prof. Dr. Kai Purnhagen ging beim Journalistenkolleg auf die oft verzerrte und ideologisch geführte Debatte beim Thema „Grüne Gentechnik“ ein und plädierte angesichts der enormen Herausforderungen für eine sehr sachliche Sicht auf die Dinge. Denkbar sei auch die Kombination von NGT mit dem ökologischen Landbau. „Wir müssen das Beste aus allen Welten nehmen“, sagte der Lehrstuhlinhaber für Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. „Wenn wir aber in ideologischen Auseinandersetzungen verharren, bekommen wir Probleme.“     

Dr. Stephan Schleissing betrachtete die Diskussion vor allem aus ethischer Sicht und ging in seinem Vortrag auf Interessen-, Wissens- und Wertekonflikte ein. Der Leiter des Programmbereiches „Ethik in Technik und Naturwissenschaften“ der LMU München machte sich in Gatersleben für eine pragmatische Sicht stark. „Vorsorge und Innovation sind keine Gegensätze“, sagte er auch mit Blick auf eine mögliche Kennzeichnung von Lebensmitteln. „Damit Verbraucherinnen und Verbraucher eine informierte Entscheidung treffen können, müsste ein Kennzeichnung dem Stand der wissenschaftlichen Forschung entsprechen.“ 

Prof. Dr. Alfons Balmann beschäftigte sich mit der Frage „Die Landwirtschaft muss sich ändern, aber wie?“ und ging bei der Suche nach Antworten auch auf das Diskursversagen in der Debatte ein. So seien beispielsweise die Positionen vieler Gentechnikgegner verhärtet - und das ohne Rücksicht auf mögliche Folgen. Das sei aber nicht zielführend, so der Direktor des Leibniz-Institutes für Agrarentwicklung in Transfomationsökonomien (IAMO) in Halle. Seine Botschaft lautete am Ende: Mehr Kompromisse, mehr Effizienz.  

Zusätzlich gab es auch noch Führungen in der Genbank und der IPK-Phänosphäre sowie in den Laboren, in denen mit der Genschere CRISPR Cas9 und der Sequenzierung gearbeitet wird. Wie die genetischen Ressourcen für die Genomforschung genutzt werden können, erläuterte Prof. Dr. Nils Stein, Leiter der Abteilung Genbank. Diese liefert die Grundlage für die präzisen und zielgerichteten Veränderungen mit Hilfe der NGT. Gleichzeitig ermöglicht die Genomforschung den Check, also die Überprüfung, dass nur gewünschte Veränderungen induziert wurden. Prof. Dr. Nicolaus von Wirén, Geschäftsführender Direktor des IPK, erläuterte, wie Pflanzen die verfügbaren Nährstoffe effizienter nutzen können und Dr. Christian Hertig beschäftigte sich mit Virusresistenzen. Ansätze also, die auch die Vereinbarkeit der Methoden mit den Zielen der Ökolandwirtschaft verdeutlichen und zu einer nachhaltigeren und trotzdem ertragssichere Landwirtschaft beitragen.

Die Methoden zur Nutzung der genetischen Ressourcen präsentierten die Kollegen aus CEPLAS Prof. Dr. Peter Westhoff und Dr. Götz Hensel in ihren Vorträgen über klassische Gentechnologien und die neuen Pflanzenzüchtungsmethoden. Peter Westhoff berichtete von der Optimierung der Photosynthese und Prof. Dr. Alga Zuccaro von neuen vielversprechenden Ansätzen in der Mikrobiomforschung.

Grundlegende Idee des Kollegs war Dialog statt Frontalunterricht. Erfahrungsberichte aus dem beruflichen Alltag der Journalistinnen und Journalisten waren für die Forschenden spannend und ermöglichten einen Perspektivwechsel. Den Auftakt machte Katja Herr, deren Film „Die Kornmacher“ über das IPK im November 2022 im MDR ausgestrahlt wurde. Die Autorin und Filmemacherin erhielt im Anschluss viel Lob für ihren Beitrag, musste aber auch polemische und unsachliche Kritik von Gentechnikgegnern einstecken. Obwohl der Fokus des Films ein anderer war, wurde die dargestellte methodische Offenheit in der Forschung kritisiert. Ihre Schilderungen, wie sie persönlich, aber auch der MDR damit umgegangen sind, waren der Auftakt für die abschließende Diskussion. Wie arbeiten Wissenschaft, Politik, Medien und Interessenorganisationen eigentlich? Welche Erwartungen werden an die anderen Akteure gestellt? Unter anderem berichtete Nicolaus von Wirén von seinen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Medien. Auch die anderen Journalistinnen und Journalisten berichteten von ihren Erfahrungen bei der Berichterstattung über Themen wie „Grüne Gentechnik“, „Biotechnologie“ oder eben „Neue Genomische Techniken“.

Nicht nur er, sondern auch seine Kolleginnen und Kollegen von TRANSCEND standen für Interviews und Nachfragen zur Verfügung - ein Angebot, von dem an beiden Tagen intensiv Gebrauch gemacht wurde.

Hier geht es zur jüngsten Pressemitteilung der DFG mit weiterführenden Informationen.