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IPK Leibniz-Institut/ C. Schafmeister
Robert Hoffie erklärt den Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzwesen den Umgang mit der Pipette.
Pipette statt Buchungssätze

Sie arbeiten am selben Institut und wissen doch oft zu wenig voneinander: Die Wissenschaft und die Verwaltung. Um das zu ändern, hat das „Finanzwesen“ jetzt in der Arbeitsgruppe „Pflanzliche Reproduktionsbiologie“ vorbeigeschaut - und bemerkenswerte Erfahrungen gemacht.

„Praktikum 6. Oktober“ steht in großen Buchstaben auf dem Zettel, der auf einem Stapel weißer Laborkittel liegt. Doch es sind nicht Schüler oder Studenten, die an diesem Tag zum Praktikum ins Labor kommen und sich die Kittel überstreifen, sondern die Arbeitsgruppe „Finanzwesen“. Buchungssätze und Budgetierung spielen ausnahmsweise keine Rolle, stattdessen geht es um den Aufbau der Weizenähre sowie die Arbeit mit Pipette, Mikroskop, Petrischale und Mikroskop. Oder, etwas flapsig ausgedrückt, um zu erfahren:
Was machen Jochen Kumlehn und seine Kolleginnen und Kollegen in der Arbeitsgruppe „Pflanzliche Reproduktionsbiologie“ eigentlich so den ganzen Tag?

Es geht - ganz grob - um die Weitergabe von Erbinformationen (DNA), deren Neuzusammensetzung (Rekombination) bei der Entstehung von Nachkommen sowie um spontane ('natürliche') und gezielte (gentechnische) Veränderungen. Und dabei wiederum dreht sich vieles um wichtige Fragen: Welches Stück Erbinformation ist beispielsweise für welche Eigenschaft zuständig? Und wie entsteht aus einer Pflanze eine neue Pflanze mit besseren Eigenschaften? Gute Fragen, aber wie geht man dem konkret nach? 

Und schon an der ersten Station sorgt der Arbeitsgruppenleiter für viel Staunen. Er hat eine Weizenähre mit vier Fingern kontrolliert im Griff und erklärt den Aufbau der Ähre mit Spindel, Ährchen, Blütchen, Spelzen, Staubbeuteln, Fruchtknoten und Narbe. Geschickt entfernt der IPK-Wissenschaftler die äußeren Spelzen eines Ährchens mit einer Pinzette. Ganz vorsichtig öffnet er eines der Blütchen und entnimmt die drei Staubbeutel, aus denen man - bei genauem Hinsehen - schon ein paar Pollen herausrieseln sehen kann, und legt sie in eine Petrischale. Dann kommen die Staubbeutel mitsamt der darin noch enthaltenen Pollen für eine gezielte Kreuzung in eine andere Blüte, die er danach wieder behutsam verschließt.

Danach heißt es: Freiwillige vor und selber machen! Kirstin Wreczycki ist die erste aus dem „Finanzwesen“, die sich das traute und selbst Pinzette und Weizenähre in die Hand nahm. Thomas Lüttge staunt derweil über die für diese Arbeit erforderliche große Fingerfertigkeit. „Da ist Eisenbahnmodellbau ja fast etwas für Grobmotoriker!“  

„Die Idee zu einem solchen Treffen hatten wir schon vor einiger Zeit und sind froh, dass es endlich geklappt hat“, sagt Jochen Kumlehn. Ziel sei es, dem „Finanzwesen“ nicht nur die wissenschaftliche Arbeit zu zeigen, sondern die Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung selbst Dinge ausprobieren und so an unserer Begeisterung teilhaben zu lassen. „Wir arbeiten zwar am selben Institut, sprechen allerdings mitunter ganz verschiedene Fachsprachen und wissen oft wenig von der Arbeit des anderen“, sagt Jochen Kumlehn. Zumindest letzteres soll sich ändern.

Und so merken die Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzwesen, dass nicht nur für das Präparieren mit der Pinzette, sondern auch zur Handhabung von Pipetten bei molekularbiologischen Arbeiten mehr Übung und Geschick erforderlich sind, als sich viele das denken. Ein Knopf, zwei Druckpunkte und unterschiedliche Farben für die unterschiedlichen Größen - das klingt einfach. Wer dann aber selbst Flüssigkeit aufnehmen und die Spitze abwerfen will, merkt, dass es doch nicht ganz so einfach ist. „Für uns sind Pipetten das tägliche Werkzeug, deshalb wollen wir den Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzwesen das Gefühl dafür vermitteln, wie es ist, damit zu arbeiten“, sagt Robert Hoffie. Doch die „Praktikanten“ aus der Verwaltung lernten von ihm noch mehr. So wird auch ein DNA-Abschnitt mittels einer PCR-Reaktion vervielfältigt, damit er später von den Forschern genutzt werden kann, etwa für das Lesen seines genetischen Codes - die Sequenzierung.

Vorher hat sich die Gruppe von Josefine Köhler bei den PRB-Mitarbeiterinnen Andrea Knospe, Barno Rezaeva und Ingrid Otto angeschaut, wie mit unreifen Embryonen gearbeitet wird. Diese werden zunächst aus sich noch entwickelnden Gerstenkörnern oder Rapssamen isoliert und kommen anschließend in Petrischalen auf spezielle Kulturmedien. In die Zellen solcher Embryonen wird mithilfe von Agrobakterien DNA übertragen. Anschließend entstehen daraus wieder neue Pflanzen mit einer gentechnischen Veränderung.

Die Bilanz der „Praktikanten“ fällt in jedem Fall überaus positiv aus. „Die Begeisterung in meiner Gruppe ist nach dem Besuch wirklich groß“, erklärt Josefine Köhler. Besonders die Angebote zum Mitmachen kamen gut an. „Es lohnt sich für Gruppen in der Verwaltung immer, nah an der Praxis zu sehen, was eigentlich in der Wissenschaft gemacht wird. Und es ist wahnsinnig spannend die Arbeiten auch mal selbst durchzuführen und auch zu sehen, wie anstrengend und filigran gearbeitet wird“, sagt Josefine Köhler, die nun zeitnah das Programm für einen Gegenbesuch organisieren möchte. Denn auch sie möchte, dass die „Praktikanten“ aus der Wissenschaft am Ende sagen: „Hey, was für nette Kollegen und was für ein interessantes Gebiet!“