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H. Kraßmann
Prof. Dr. Hans Stubbe
120. Geburtstag von Gründungsdirektor Hans Stubbe

Hans Stubbe (1902-1989), Gründungsdirektor des Instituts für Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, wird heute vor 120 Jahren in Berlin geboren. Der Sohn eines Schulinspektors leitet das Institut bis 1969. Stubbe gilt als einer der renommiertesten Genetiker der DDR. Von 1951 bis 1967 ist er Präsident der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin.

Vorbemerkung:

Der heutige 120. Geburtstag des Gründers unseres Vorläuferinstituts, des „Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kulturpflanzenforschung“, gibt uns den Anlass, auf das Wirken Hans Stubbes und die durch ihn gesetzten wissenschaftlichen Akzente hinzuweisen.

Es sind bewegte Zeiten, die das vergangene Jahrhundert und sein Leben prägen. Grundlagen der modernen Forschung werden geschaffen, von denen unsere Arbeit am Institut noch heute profitiert. Ohne diese wäre unsere Forschung nicht möglich. Gleichzeitig ist es das Jahrhundert zweier Weltkriege und Diktaturen unterschiedlicher Couleur.

Den durch das 20. Jahrhundert gesetzten Rahmen können wir mit dem Wissen und der Gewissheit von später Geborenen wie durch ein Brennglas betrachten. Sich in den Zeitgeist, die Wissensbasis, in Überzeugungen und Ideologien hineinzuversetzen, aber auch die Zwänge zu verstehen, fällt hingegen schwer. Es ist wichtig, zu versuchen, bei einer geschichtlichen Bewertung auch den Kontext der Zeit nicht außer Acht zu lassen. Dies ist Voraussetzung, um Wirken und Werk zu erfassen und mit gebührender Bescheidenheit einzuordnen.

Nach einer landwirtschaftlichen Lehre studiert er von 1925 bis 1929 Landwirtschaft und Biologie in Göttingen und Berlin. Seine Laufbahn als Wissenschaftler nimmt 1928 mit dem Eintritt ins damalige Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung Müncheberg Fahrt auf. Seine Jahre dort stehen vor allem unter dem Zeichen des Löwenmauls (Antirrhinum). Er leitet am Institut die Abteilung XIII mit dem Arbeitsgebiet „Experimentelle Mutationsauslösung“ und ist dort ein Schüler Erwin Baurs. Viele Publikationen aus dieser Zeit dokumentieren die Forschungen Stubbes zu Mutationen - ausgelöst durch kurzwellige Strahlen oder Chemikalien. Das Ziel ist es, eine breitere Basis für die Selektion zu schaffen. In seiner Zeit in Müncheberg lernt Stubbe 1927 führende Genetiker des Auslandes kennen, darunter auch Nikolai Vavilov. Ihn besucht er zwei Jahre später an dessen Institut in Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg, und bleibt ihm auf Lebenszeit freundschaftlich verbunden.

Nach dem Tod des Leiters Erwin Baur 1933 ändert sich die Stimmung am Institut in Müncheberg. Hans Stubbe wird „politische Unzuverlässigkeit“ vorgeworfen. Im Februar 1936 wird er mit seinen Mitstreitern Hermann Kuckuck und Rudolf Schick zunächst beurlaubt und einige Monate später fristlos entlassen. Anschließend arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Fritz von Wettstein am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin-Dahlem. Dort setzt Hans Stubbe seine strahlengenetischen Forschungen am Gartenlöwenmaul fort. Mit seinem Assistenten Helmut Döring findet er heraus, dass die Mutationshäufigkeit der Pflanzen bei Mangel an Phosphor, Stickstoff und Schwefel steigt.  

Die Bedeutung der Landwirtschaft im Dritten Reich ist geprägt von der propagierten „Blut-und-Boden-Ideologie“, aber auch Bestrebungen, die Landwirtschaft zu modernisieren und die Produktion zu steigern. Genetische Grundlagen und die Nutzung der genetischen Vielfalt spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie heute.

Durch den Zweiten Weltkrieg und die Besetzung großer Teile Europas durch deutsche Truppen ist Stubbe an zwei Wehrmachtsexpeditionen beteiligt. Diese führen ihn im Sommer 1941 - also direkt nach Abschluss des deutschen Balkanfeldzuges - nach Albanien, Montenegro, Nordgriechenland und Kreta. Erklärtes Ziel der Expeditionen ist es, die Widerstandsfähigkeit der bekannten Kulturpflanzen durch Kreuzungen mit Wildformen aus diesen Regionen zu erhöhen und so die Ernährungssituation in Deutschland zu verbessern. Rein wissenschaftlich betrachtet sind beide Expeditionen für Hans Stubbe ein Glücksfall. Einerseits was die Ausstattung betrifft, andererseits auch die Ergebnisse. Vor allem bei der zweiten Expedition sind die botanische und zoologische Ausbeute aus Sicht des Genetikers sehr groß.

Im April 1942 fällt die Entscheidung, das neue Kaiser-Wilhelm-Institut für Kulturpflanzenforschung (KWI) in Wien anzusiedeln. Hans Stubbe übernimmt den Aufbau und die Leitung des Institutes, obwohl die SS lange Zeit Bedenken gegen seine Berufung hat. Im November 1942 trifft sich Hans Stubbe mit Ernst Schäfer, dem Leiter der SS-Expedition nach Tibet 1938/39. Dabei geht es auch um die Kooperation von KWI und SS. Dass die SS 1943 dann ein eigenes Institut für Pflanzengenetik in Lannach gründet, überrascht und ärgert Stubbe. Doch Stubbe kooperiert auch hier mit dem Hitler-Regime. So ist das KWI auch an den Forschungen der Wehrmacht zur biologischen Kriegsführung beteiligt.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wird das Institut nach Bombardierungen durch die Alliierten aus Wien zunächst nach Stecklenberg im Harz verlagert und kommt schließlich nach Gatersleben. Aus dem Institut für Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, das zunächst zur Universität Halle und ab 1948 dann zur Forschungsgemeinschaft der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW) gehört, entsteht 1969 das „Zentralinstitut für Genetik und Kulturpflanzenforschung“.

Gemeinsam mit Gustav Becker und Rudolf Schick schlägt Stubbe der SED 1950 die Gründung einer Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (DAL) vor. Nur so, so ihre Argumentation, lasse sich die Gemeinschaftsarbeit der Agrarforschung effektiv umsetzen. Ein Jahr später wird die neue Akademie nach anfänglichen Widerständen gegründet. Allerdings dauert es bis 1967, bis die beiden Akademien DAW und DAL eine Kooperationsvereinbarung abschließen. Zuvor weist Stubbe mehrfach auf den aus seiner Sicht zu geringen Stellenwert der Biologie und der Genetik in der DDR hin.

Nach seinen frühen Forschungsarbeiten zu Mutationen widerlegt Stubbe in den frühen 1950er Jahren mit seinen Mitarbeitern in Gatersleben durch mehrjährige experimentelle Forschung die Ansichten des sowjetischen Biologen Trofim Denissowitsch Lyssenko zur Vererbung erworbener Eigenschaften. Lyssenko wendet sich mit seiner „fortschrittlichen Biologie“ vehement gegen die Arbeiten von Genetikern wie Vavilov. Er ist fest davon überzeugt, dass eine „Umerziehung“ von Kulturpflanzen möglich sei. Bei seinen jahrelangen Bemühungen zur Rehabilitation der klassischen Genetik stößt Stubbe auf zahlreiche Widerstände, auch in der DDR, ist aber letztendlich erfolgreich. 

Neben den Versuchen zur Widerlegung der Lyssenko-Theorien werden am Institut in den 1950er Jahren auch Untersuchungen von Gerste- und Weizensortimenten hinsichtlich ihrer Resistenz gegen Mehltau und Rost durchgeführt. Zudem geht es um die Einführung experimenteller Mutationsauslösung, vor allem der chemisch induzierten Mutagenese. Vortrags- und Studienreisen führen Stubbe in diesen Jahren mehrfach in die Bundesrepublik, aber auch in die Sowjetunion, nach China, Kuba, Kanada und Italien.

Die Bestände der Genbank wachsen in dieser Zeit kontinuierlich, unter anderem durch Schenkungen. Ein Meilenstein bildet auf diesem Weg eine erste Sammelreise nach China im Jahr 1956, die Stubbe zusammen mit einem chinesischen Kollegen leitet. Später folgen viele weitere Expeditionen.

Im Januar 1969 zieht sich Stubbe von der Institutsleitung zurück. Bereits zwei Jahre zuvor wird er als Universitätsprofessor an der Universität Halle-Wittenberg, an der er 1947/48 Gründungsdekan der landwirtschaftlichen Fakultät ist, emeritiert. Sein Nachfolger als Direktor in Gatersleben wird sein Schüler Helmut Böhme. Seit Mitte der 1970er Jahre lebt Stubbe in Zingst. Dort stirbt er am 14. Mai 1989.