Die Bundesministerin für Bildung und Forschung (BMBF), Bettina Stark-Watzinger, besuchte am 26. Juli auf ihrer diesjährigen Sommertour das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. Sie nutze die Gelegenheit im Gespräch mit Forschenden sich über Herausforderungen, Möglichkeiten und Ziele der Forschung an und mit Kulturpflanzen zu informieren. Im Besonderen galt ihr Interesse neuen Züchtungsmethoden, den sogenannten Neuen Genomischen Techniken (NGT), wozu unterschiedliche Verfahren der Genomeditierung zählen.
Zunächst konnte sich die Ministerin davon überzeugen, wie rasch sich der Kernbereich des Instituts von einer klassischen Genbank zu einem bio-digitalen Ressourcenzentrum wandelt, das weltweit führend die Genomsequenzierung von wichtigen Kulturpflanzen wie Getreiden und seit kurzem auch Leguminosen vorantreibt. In der in das Institut eingebetteten Bundeszentralen Ex-situ-Genbank lagert der Schatz von 3.000 ackerbaulich und gärtnerisch genutzten Kulturpflanzenarten sowie ihren wildverwandten Arten. Mit über 150.000 Mustern ist sie die größte Genbank in der Europäischen Union und eine der bedeutendsten Genbanken weltweit. Dieses Erbe menschlicher Züchtungsaktivitäten wird am IPK nicht nur verfügbar gehalten, sondern mit modernsten Methoden der Molekularbiologie, Physiologie und Analytik ausgiebig charakterisiert. Die tiefe Integration in die Forschung des IPK Leibniz-Institut ist Markenzeichen der Genbank am IPK. Davon konnte sich Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger überzeugen.
Im Besonderen galt ihr Interesse den NGT, die vorwiegend auf der CRISPR-Cas-Technologie basieren. Vor etwas mehr als 10 Jahren begannen diese, auf Grund der durch sie ermöglichten Präzision für gezielte Veränderungen im Erbgut, ihren Siegeszug in Medizin und Biologie. Nur selten gelingt es Technologien in kurzer Zeit zu Standardwerkzeugen zu werden. Der Genomeditierung ist dies gelungen. Nach einem Schnelldurchgang zur Methode folgte eine Einweisung zum Arbeiten im Labor. Danach hatte die Ministerin Gelegenheit selbst Hand anzulegen. Unter der fachlichen Anleitung von Iris Hoffie pipettierte die Ministerin Proben in ein Agarosegel, um die Identität der verwendeten DNA zu prüfen. Damit war ein Schritt auf dem Weg zu einer genomeditierten Pflanze erfolgreich. Welche Möglichkeiten die Methoden den Forschenden am IPK bieten, wurde während des Besuchs intensiv diskutiert.
Robert Hoffie stellte einige konkrete Forschungsprojekte vor, in denen am IPK die CRISPR-Cas Technologie angewendet wird. Beeindruckt zeigte sich Bettina Stark-Watzinger vom Beispiel der Nutzung einer in der Genbank erhaltenen alten Gerstensorte. Eine Resistenz gegen das in der Landwirtschaft bedeutsame Gerstenmosaikvirus (BaMMV), konnte in einer alten Landsorte identifiziert werden. Mittels sequenzbasierter genetischer Methoden gelang es, die dafür verantwortliche Punktmutation im PDIL5-1 Gen, das an der Entstehung spezifischer Proteinstrukturen beteiligt ist, zu lokalisieren. Deren Veränderung in einer anfälligen Sorte ist der Schlüssel für die Resistenz von Pflanzen gegen diese Viren. Mittels der Genschere Cas9 gelang es Robert Hoffie im Rahmen eines BMBF-finanzierten Projektes, dieses Merkmal in einer modernen Gerstensorte zu induzieren. Alternativ wäre dies nur durch klassische Kreuzungsexperimente, gefolgt von aufwendigen Selektionsschritten und Rückkreuzungen über einen langen Zeitraum möglich. Jedoch ohne die Präzision der NGT. Die Arbeiten zeigen beispielhaft, wie das Material der Genbank mit effizienten und präzisen biotechnologischen Werkzeugen für Forschung und Züchtung erschlossen werden kann. Die Methoden der Genomeditierung stehen somit nicht nur für hohe Präzision, sondern auch für eine immense Einsparung von Zeit.
Gerade durch den Klimawandel, so Nicolaus von Wirén, Leiter der Abteilung Pflanzenphysiologie und Zellbiologie, in der Robert Hoffie tätig ist, wird deutlich, dass wir schneller als bisher beim Anbau von Kulturpflanzen auf Veränderungen reagieren und Lösungen anbieten müssen. Wichtig sind Nicolaus von Wirén dabei vor allem Aspekte einer nachhaltigen pflanzlichen Produktion. Diese reflektieren sich auch in seinen eigenen Forschungsarbeiten. Denn die Entwicklung von Pflanzen, die effizienter Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen, spart mineralische Düngung. Damit lassen sich Kosten für Landwirte und unerwünschte negative Effekte auf die Umwelt verringern. Durch den Austausch einer einzigen Base im Genom, welches aus mehreren Milliarden Basen besteht, gelang es ihm die Wurzelarchitektur von Modellpflanze Arabidopsis gezielt zu verbessern. Dieser Ansatz wird derzeit auf Gerste übertragen. Im Ergebnis können Pflanzen somit ein größeres Bodenvolumen erschließen, was ihnen Vorteile bei der Aufnahme von Nährstoffen bringt. Aber auch Trockenheit, so die Hoffnung, kann durch tiefergehende Wurzeln abgefedert werden. Eine nachhaltigere Landwirtschaft, so das Fazit von Nicolaus von Wirén, kann durch den seit gut zehn Jahren verfügbaren Methodenkasten der Genomeditierung unterstützt werden.
Bettina Stark-Watzinger betonte, dass Sie sich dafür einsetze, dass diese Neuen Genomischen Techniken nicht nur in Laboren, sondern auch in die Praxis Einzug halten. Angesichts der Herausforderungen wie dem Klimawandel bei gleichzeitig wachsender Weltbevölkerung sei es notwendig, die Chancen dieser Technologie zu nutzen und in die Umsetzung zu bringen. Den Vorschlag der EU-Kommission für ein angepasstes und zeitgemäßes Gentechnikrecht begrüßt sie daher ausdrücklich.
Der Besuch am IPK Leibniz-Institut beinhaltete ferner eine Besichtigung der „PhenoSphere“, dem digital gesteuerten Experimentierfeld der Zukunft. Die IPK „PhenoSphere“ ist eine weltweit einzigartige Forschungsinfrastruktur, welche mit finanzieller Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalts und des Bundes durch das BMBF, im Rahmen eines nationalen Forschungsprogramms, ermöglicht wurde. „In diesem geschlossenen und vollständig klimatisierten Gebäude können Kulturpflanzen in hoch reproduzierbarer Weise unter feldähnlichen Bedingungen angebaut werden und sie können bereits heute unter Witterungsbedingungen analysiert werden, wie sie für unsere Zukunft prognostiziert werden“, erläuterte Thomas Altmann, Leiter der Abteilung Molekulare Genetik. Durch vielfältige Sensoren und diverse automatisierte Digital-Kamerasysteme lassen sich Wachstum und Entwicklung der Pflanzen sowie wichtige Leistungsparameter und ihre Reaktionen auf Umwelteinflüsse kontinuierlich und zerstörungsfrei erforschen. In einem weiteren Teil der Anlage wird der zumeist verborgene Teil der Pflanzen, ihre Wurzeln, sichtbar gemacht. Ein sogenanntes Rhizotronsystem erlaubt es gleichzeitig ober- und unterirdische Pflanzenteile zu analysieren. Diese Systeme unterstreichen auch die Bedeutung von Digitalisierung und Nutzung von KI- in Forschung, Wissenschaft und für die Umsetzung der Ergebnisse. Riesige Datenmengen gilt es zu erfassen, zu strukturieren, zu verknüpfen, zu analysieren und für den Gewinn neuer Erkenntnisse zu nutzen. So wurde mit Hilfe solcher automatisierten Anlagen am IPK aufgedeckt, dass eine Vielzahl genetischer Faktoren, welche das Wachstum der Pflanzen bestimmen, nur in kurzen zeitlichen Phasen wirksam sind.
„Die Begeisterung mit der in Gatersleben geforscht wird, ist beeindruckend", sagte Bettina Stark-Watzinger. „Gemeinsam werden hier die großen Chancen der Neuen Züchtungstechniken für eine ertragreiche und nachhaltige Landwirtschaft von Morgen erschlossen und wertvolle Forschungsarbeiten geleistet", so die Ministerin weiter, die anschließend Ihre Sommertour zu ausgewählten Forschungs- und Innovationsstandorten fortsetzte.