Timo Günther ist am IPK für die Pflege der Außenanlage verantwortlich. Seine besondere Liebe gilt dabei den Bäumen - und das auch privat.
Unscheinbar steht ein Bäumchen, vielleicht zwei Meter groß, auf der Rasenfläche zwischen Vavilov-Gebäude und Trafo-Häuschen. Neun kleine Zapfen baumeln an diesem Spätsommertag im Wind. In den Blick fällt der Baum den meisten Leuten nicht, doch es handelt sich - im wahrsten Sinne des Wortes - um einen „schlafenden Riesen“. Es ist ein Mammut-Baum, wie man ihn aus den USA kennt. Mehr als 3.000 Jahre alt können diese Bäume werden. Häufig sind die Riesen ein beliebtes Fotomotiv mit Menschenketten, die versuchen sie zu umschließen. „Was einige nicht wissen, wir haben sehr viele exotische Bäume auf unserem Campus“, erzählt Timo Günther, Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Versuchsfeld und Gärtnerei“.
Dazu gehört neben drei noch jungen Himalaya-Birken auch ein Urwelt-Mammutbaum, der vor dem Eingang des Genetik-Gebäudes steht. „Er gilt als ein lebendes Fossil, weil er bis zu seiner Wiederentdeckung im Jahr 1941 in einer unzugänglichen Region in China nur durch Fossilbelege bekannt war“, erklärt der 51-Jährige, der zunächst zwischen 2015 und 2018 als Saisonkraft am IPK arbeitete, bevor er 2019 eine Festanstellung bekam. „Das war für mich damals wie ein 5er im Lotto.“
Der 51-Jährige kümmert sich seitdem um die Pflege der Außenanlagen. Dazu gehört die Pflege der Beete, der Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern und die Unkrautbekämpfung. Doch auch wenn an anderer Stelle Hilfe gebraucht wird, ist er gerne zur Stelle: sei es beim Zaunbau, bei der Reinigung eines Gewächshauses oder dem Umhängen von Lampen. „Da ich sehr viel auf dem Campus unterwegs bin, sehe ich oft, wenn irgendwo der Schuh drückt und es ein Problem gibt“, so Timo Günther. „Und die Vielfalt an Aufgaben macht für mich den Reiz meiner Arbeit aus.“
Und natürlich kommt er auch mit der Verwaltung und Wissenschaft in Kontakt - und setzt dabei auf einen bewährten „Eisbrecher“. Oft eröffne er Gespräche mit dem Satz: „Na, die Pflanze bei ihnen sieht aber gar nicht gut aus.“ So habe er eine Pflanze von Susan Deike, Leiterin des Personalwesens, einmal sechs Monate in seine Obhut genommen und sehr mühsam, aber erfolgreich aufgepäppelt. Aber auch für die Koka-Pflanzen in der Gruppe von John D’Auria hatte er einen Tipp. „Denen ging es vor einiger Zeit ebenfalls nicht so gut, das lag vermutlich am falschen Substrat.“
„Wenn ich Probleme auf dem Campus sehe, mache ich mir beim Frühstück immer eine Liste und gehe die Dinge an“, erzählt Timo Günther. Lange Mails schriebt er ebenso nicht wie er lange Telefonate führt. „Ich bin ein Freund des kurzen Dienstweges und regele die Dinge meistens im persönlichen Gespräch.“
Wie auch die Kündigung seiner Stelle in der JVA Volkstedt, in der Timo Günther vor seiner Zeit am IPK für einige Wochen gearbeitet hat. „Da habe ich Häftlinge bei einfachen gartenbaulichen Arbeiten angeleitet.“ Die Stimmung und die Motivation seien aber nicht besonders gut gewesen. „Ich hatte vor allem mit jungen Kleinkriminellen zu tun, die sich aber selbst als Mini-Al-Calpones sahen, das war nicht so mein Ding.“ Nach einer schlaflosen Nacht und einem Becher Kaffee morgens um 4 Uhr sei er dann zu seiner Chefin gefahren und habe gekündigt.
Zuvor hat der gebürtige Zörbiger („da, wo die Marmelade herkommt“) mehrere Jahre in Halle verbracht. Nach dem Zivildienst 1996 arbeitete er in der Saalestadt in Gartenbaufirmen und auf dem Bau, aber auch bei Konzerten im Steintor-Varieté und in der Händelhalle in der sogenannten „Local Crew“ mit, die immer für Auf- und Abbau zuständig war. So bereitete er Auftritte von Herbert Grönemeyer und Harald Juhnke ebenso vor wie von der Hitparade der Volksmusik. Später pflegte er das Firmengelände einer Firma in Hecklingen, die Dichtungen für die Industrie herstellt. „Ich habe in meinem Leben schon viele Kurven genommen, aber habe jetzt das Gefühl, an der richtigen Stelle angekommen zu sein.“ Dabei schätzt er nicht nur seinen Chef Peter Schreiber sehr („ruhig, diplomatisch, hört zu“), sondern auch Michael Gruhn, seinen Helfer von der Lebenshilfe. „Einen so umsichtigen und guten Helfer zu haben, das ist wirklich Gold wert.“
Und wer den ganzen Tag mit Bäumen, Sträuchern und Pflanzen zu tun hat, der entspannt sich nach der Arbeit - im Garten! Timo Günther ist Bonsai-Anhänger, der japanischen Art, einer fernöstlichen Gartenkunst. Der Ascherslebener gestaltet in seinem 600 Quadratmeter großen Garten in Aschersleben alte Baumstümpfe mit viel Aufwand und Geduld um und erweckt sie zu neuem Leben. Oft funktionieren nur noch ein oder zwei Saftbahnen, aber das reicht. Die ersten neuen Äste werden zunächst angespannt und dann in Form gedrahtet.
Heute zieht es Timo Günther aber noch einmal auf den Campus zu „seinen“ Bäumen, die er inzwischen fast alle kennt, wie er betont. Der erste Urwelt-Mammutbaum (Metasequoia glyptostroboides), auch chinesisches Rotholz genannt, kam 1957 direkt aus Peking nach Gatersleben und wurde im Staudengarten gepflanzt. Der Baum vor der Genetik des Instituts wurde 1966 gepflanzt. Vermutlich handelt es sich bei ihm um einen Steckling des Baums aus dem Staudengarten, der später abgestorben ist.
„Der Bestand auf dem Gelände ist 50, 60 Jahre alt, viele Bäume haben die beste Zeit hinter sich, daher ist es wichtig, alles mit Neuanpflanzungen wie dem Mammutbaum zu ergänzen“, sagt Timo Günther. Und das geht am besten, wenn sich alle des Wertes der Anlage bewusst seien. „Wir haben hier wirklich viele Raritäten stehen, die es sonst wohl nur in botanischen Gärten gibt. Und ich denke, ich kenne sie fast alle.“ Immerhin, der eine oder andere dürfte künftig dem Urwelt-Mammutbaum und dem (noch kleinen) Mammutbaum mehr Beachtung schenken.