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IPK Leibniz-Institut/ L. Tiller
Guido Schulze Niehoff versorgt mit seiner Biogasanlage auch das IPK.
Ein Energiebündel

Mit seiner Biogasanlage produziert Guido Schulze Niehoff nicht nur flexibel Strom, sondern sorgt auch für die Beheizung des IPK. Ein Treffen mit einem umtriebigen Unternehmer, der nicht nur Geld verdienen möchte, sondern sich der Energiewende verschrieben hat.

„Na, dann gehen wir mal gleich hier hoch“, erklärt Guido Schulze Niehoff und schreitet mit flottem Schritt entschlossen voran, hoch auf einen der drei Mais-Silos seiner Biogasanlage. Jeder ist 100 Meter lang, 25 Meter breit und acht Meter hoch. Unten schieben zwei große Traktoren den geschredderten Mais im zweiten Silo zusammen und walzen ihn platt. „Die Luft muss zunächst raus, danach können wir die Silage zwei Jahre lang unter Folien lagern“, erklärt der Agrarwisssenschaftler. Auf der anderen Seite des Areals, wenige hundert Meter hinter dem Sportplatz in Gatersleben, fallen sofort die beiden großen Fermenter der Anlage ins Auge. Ihr Erscheinungsbild erinnert an ein Zirkuszelt.  Sie werden kontinuierlich mit dem Mais, aber auch mit Rüben „gefüttert“, wie Guido Schulze Niehoff es nennt. Ein Rührwerk, vor allem verschiedene Bakterien, sorgen dafür, dass aus der braunen Masse nach einiger Zeit Biogas entweicht, 750 Kubikmeter pro Stunde. Und das nutzt der 48-Jährige nicht nur für die Stromerzeugung, sondern letztlich wird damit auch der ForschungsCampus mit dem IPK beheizt.

„Die erneuerbaren Energien haben mich immer schon fasziniert“, erzählt der Landwirt. In den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb der Familie habe eine Biogasanlage jedoch nicht gepasst. Als die katholische Kirche aber 2014 ihre Biogasanlage in Gatersleben verkaufen wollte, ergriff Guido Schulze Niehoff die Chance und erwarb diese. Heute, acht Jahre später, steht er oben auf dem Silo und blickt stolz auf das zurück, was er seitdem erreicht hat. „Wir haben damals eine Vision für unsere Anlage entwickelt und sie Schritt für Schritt optimiert. Heute ist diese technisch auf einem Stand, wie nur wenige andere Anlagen dieser Art.“

Die Voraussetzungen für den Betrieb sind günstig. Die benötigte Biomasse baut Guido Schulze Niehoff, die Fruchtfolge im Blick haltend, direkt vor Ort an. „Im Fermenter wird die braune Masse dann verrührt, damit immer Kontakt zu den Bakterien besteht. „Hier ist ein Bullauge. Wenn Sie reinschauen, sehen Sie die Blasen, die aus der Masse herausspritzen, das ist unser Gas“, erläutert Guido Schulze Niehoff und leuchtet mit seiner Taschenlampe durch ein zweites Bullauge ins Innere des Fermenters. „Wir produzieren hier bei uns einen Brennstoff wie Öl oder Erdgas, aber mit einem entscheidenden Unterschied“, erläutert der Geschäftsmann. „Wir produzieren fast live, bei uns dauert es nicht tausende von Jahren wie in der Natur.“

Das Gas aus dem Fermenter, das unter anderem noch etwas Schwefel enthält, wird dann gereinigt und auf vier Grad heruntergekühlt. „Das Wasser muss noch raus, wir brauchen trockenes Gas“, erklärt der Unternehmer. Dies wird danach in drei riesige Lagerbehälter geleitet, bevor es für die Stromerzeugung genutzt wird. Dabei kommen sieben Motoren, fünf davon auf dem IPK-Campus, zum Einsatz. „Wir dürfen laut Gesetz im Jahresschnitt jeden Tag 38.000 Kilowatt produzieren. Dafür müssen unsere Motoren aber nur noch fünf Stunden laufen. Früher waren die Motoren noch rund um die Uhr im Einsatz“, erklärt Guido Schulze Niehoff.  

Wie der Unternehmer die Summe im Jahres- und Tagesverlauf aufteilt, ist ihm überlassen. Doch der Agrarwissenschaftler hat auch da klare Vorstellungen und richtet seine Lieferung ins öffentliche Netz nach der Nachfrage. Er speist Strom meist zwischen 6.30 und 8.30 Uhr sowie abends zwischen 18.30 und 21.30 Uhr ein. In dieser Zeit ist nicht nur der Bedarf sehr hoch, sondern auch der Anteil des Solarstroms sehr niedrig. „Wir sind so etwas wie ein Spitzenlastkraftwerk und füllen die Lücken, die die anderen erneuerbaren Energien noch lassen.“

Doch die Motoren erzeugen nicht nur Strom, sondern auch viel Wärme. Und die nutzt das IPK für sein Heizungssystem. Zu diesem Zweck wurde ein 18 Meter hoher Wärmespeicher auf dem Campus errichtet, der drei Millionen Liter fasst. Das Wasser hat eine Temperatur von 95 Grad und wird über einen Wärmetauscher im Heizhaus ins IPK-System eingespeist. „Beim Strom richte ich mich also nach der Nachfrage und kann die Spitzen bedienen. Das Institut muss jedoch rund um die Uhr versorgt werden.  Mit dem Wärmespeicher konnten wir die Strom- und die Wärmeproduktionen voneinander entkoppeln, das war für alle ein wichtiger Schritt.“

Auch das IPK ist sehr zufrieden. „Die beiden Gaskessel im Heizhaus müssen wir praktisch nicht mehr zum Heizen nutzen“, betont Steffen Kirsch, Leiter der Arbeitsgruppe „Technik“. „Die Zusammenarbeit mit Guido Schulze Niehoff, mit dem wir seit 2014 kooperieren, ist natürlich auch vor dem Hintergrund der aktuellen Preisentwicklung ein Segen und ein Gewinn für uns.“ Das IPK nutzt die Wärme allerdings nicht nur zur Beheizung des Instituts, sondern mittels der Absorptionskälteanlage auch zur Kühlung des Gewächshauses am Genomzentrum.

Guido Schulze Niehoff sitzt derweil in einem kleinen Raum neben dem Fermenter, schaut gebannt auf einen Monitor und überprüft schnell die Eckwerte seiner Anlage. Wie er sich selbst sieht? Landwirt? Geschäftsmann? Idealist? Vorreiter bei der Energiewende? „Über diese Frage habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht“, erklärt er. „Aber eines ist klar. Mein Kopf dreht sich den ganzen Tag um die Anlage.“ Und so freut es ihn, dass er immer mehr zur Kreislaufwirtschaft kommt. So befindet sich in den Lagerbehältern nicht nur das Gas, sondern unten auch das ausgegorene Material. „Das kommt dann wieder auf unsere Felder, wir fahren es also praktisch im Kreis.“

Einen Augenblick später öffnet er eine Mail des Vermarkters, der seinen Strom an der Leipziger Strombörse anbietet und ihm immer eine Übersicht über die zu erwartenden Preise des Folgetages schickt. „Wenn es morgen etwa Sturm gibt, dann produzieren die Windräder viel und die Preise gehen sofort nach unten“. Sein Angebot richtet er auch nach solchen Gegebenheiten. Eine Art Energiemanager ist Guido Schule Niehoff also auch. Und ein umtriebiger Geist. Auf der Freifläche vor der Anlage ist schon eine Photovoltaik-Anlage für den Eigenstrom der Biogasanlage geplant. Vermutlich nicht sein letztes Projekt dieser Art.