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IPK Leibniz-Institut / J. Himpe
Dr. Stephan Weise
EURISCO - Der Einstieg in die Datenwelt der Pflanzen

Seit 2014 ist das IPK für EURSICO verantwortlich. Was sich hinter dem Europäischen Suchkatalog für Pflanzengenetische Ressourcen verbirgt, welche Herausforderungen es gibt und wie das System weiterentwickelt werden soll, erklärt Stephan Weise im Interview.

EURISCO - Finding seeds for the future. Das klingt spannend, aber auch ambitioniert. Wie umfangreich ist der Suchkatalog, und wer macht bei EURISCO mit?

Der Europäische Suchkatalog für Pflanzengenetische Ressourcen (EURISCO) enthält Informationen über mehr als zwei Millionen Akzessionen von Kulturpflanzen und ihren wilden Verwandten, die von über 400 Instituten ex situ erhalten werden. Er stützt sich dabei auf ein Netz nationaler Inventare aus 43 Mitgliedsländern. EURISCO liefert Informationen über die große genetische Vielfalt, die von den kooperierenden Einrichtungen aufbewahrt wird. So leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der weltweiten Agrobiodiversität.

Welche Arten sind am stärksten vertreten?

EURISCO dokumentiert eine große Anzahl von Getreideakzessionen wie z.B. Weizen (204.561 Akzessionen), Gerste (126.444) und Mais (67.878), aber auch Hülsenfrüchte wie Bohnen (55.435) und Erbsen (38.914) sowie viele weitere, die in Genbanken in ganz Europa erhalten werden. Daneben stellt EURISCO auch Informationen über eine Arabidopsis-Forschungssammlung aus dem Vereinigten Königreich bereit. Insgesamt umfasst der Datensatz derzeit 6.730 Gattungen mit 45.177 Arten.

Der Suchkatalog wird vom IPK betreut. Wie kam es dazu?

EURISCO als ein Produkt des European Cooperative Programme for Plant Genetic Resources (ECPGR) ist ursprünglich aus einem EU-Projekt hervorgegangen. Im Auftrag des ECPGR wurde EURISCO ab 2003 von Bioversity International in Rom gehostet. Um neue Impulse zu erhalten und das System weiterzuentwickeln, wurde das Hosting 2012 europaweit ausgeschrieben. Wir haben letztendlich mit unserem Konzept das ECPGR überzeugen können. Seit Anfang 2014 sind wir am IPK für EURISCO verantwortlich und haben das System seitdem kontinuierlich vorangetrieben und als wichtige internationale Ressource für Daten über pflanzengenetische Ressourcen ausgebaut.

Wie muss ich mir dabei die Zusammenarbeit mit den Partnern konkret vorstellen? Und welche Daten werden eigentlich von den Akzessionen erfasst?

Dreh- und Angelpunkt für EURISCO sind die Daten der nationalen Inventare, mit denen wir direkt interagieren. Hier sammeln die nationalen Ansprechpartner, sogenannte National Inventory Focal Points, in ihren Ländern die Daten ein. Vornehmlich geht es um Passport- und phänotypische Daten der einzelnen Sammlungen. Die Daten werden zusammengestellt und an EURISCO übermittelt. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang auch regelmäßiges Training für die Bereitsteller der Daten. Hier wird nicht nur über Datenstandards und die technischen Möglichkeiten des Uploads gesprochen, sondern insbesondere auch über Datenqualität und Datenkuratierung. Der größte Teil der Arbeit findet hier also hinter den Kulissen statt.

Kann ich Saatgut, also etwa eine bestimmte Gersten-Akzession, direkt bei EURISCO bestellen?

Nein, die Idee hinter EURISCO ist es, einen zentralen Einstiegspunkt für Nutzer pflanzengenetischer Ressourcen zu schaffen und einen möglichst umfassenden Überblick zu geben. Das betrifft sowohl die Anzahl der Akzessionen als auch den Umfang der Daten. Das Material selbst befindet sich in der Obhut der beteiligten Sammlungen und nur an diese können Anfragen gerichtet werden. Am IPK kann dies über das Bestellsystem GBIS geschehen. Ein zentrales Bestellsystem für alle Genbanken wäre zwar technisch möglich, aber hier sind viele Sammlungen noch zurückhaltend.

Wer nutzt EURISCO?

EURISCO richtet sich primär an Forscher und Züchter, aber natürlich auch an die interessierte Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund versuchen wir, das System zu nutzerfreundlich wie möglich zu machen. Zum Beispiel haben wir eine vollintegrierte Synonymsuche nach wissenschaftlichen Namen implementiert, aber ebenso nach allgemein gebräuchlichen englischen Bezeichnungen.

Und welche Folgen hat der fortschreitende Klimawandel für EURISCO?

Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und die zunehmende Häufigkeit extremer Wetterereignisse führen u.a. zu sinkenden Ernteerträgen. Und die durch die Klimakrise verursachten Umweltveränderungen zwingen die Landwirte auch dazu, andere Sorten oder sogar andere Kulturen anzubauen. Dabei besteht die Gefahr, dass die alten Sorten verloren gehen. Außerdem sind die mit den Nutzpflanzen verwandten Wildarten aufgrund dieser Umweltveränderungen bedroht. Umso wichtiger sind die Sammlungen, die schon seit Jahrzehnten damit beschäftigt sind, diese genetische Vielfalt der Kulturpflanzen und ihrer wilden Verwandten zusammenzutragen und zu erhalten. Bei der Erschließung der weltweiten Sammlungen für Forschung und Züchtung leistet EURISCO einen wertvollen Beitrag, indem es sammlungsübergreifende Einsichten bietet.

Sie sprachen neue Kulturen an und erwähnten das Thema Klimawandel auch in Ihrer jüngsten Veröffentlichung zu EURISCO im Journal „Nucleic Acids Research“. Schlägt sich all das bereits nieder in einer veränderten Zusammensetzung des Suchkatalogs?

EURISCO spiegelt die Zusammensetzung der beteiligten Sammlungen wider und hat hier nur begrenzten Einfluss. Aber wir können über das Thema des Sammlungsmanagements dafür motivieren, diese gezielt zu ergänzen und damit Lücken zu schließen. Generell muss man hier leider konstatieren, dass die Zahl der Sammelreisen zur Erschließung neuer Ressourcen in den vergangenen Jahren weltweit deutlich zurückgegangen ist. Und das stellt vor dem Hintergrund des dramatischen Verlustes an Biodiversität ein besonders fatales Signal dar.

Die Datenmengen werden auch in der Pflanzenforschung immer größer - hier am IPK etwa durch die IPK-PhänoSphäre und die Sequenzierung. Parallel werden die Anforderungen an die Pflege und Speicherung der Daten nach einheitlichen Standards immer höher. Was bedeutet das für EURISCO?

Die Menge der Daten hat in den letzten Jahren tatsächlich erheblich zugenommen. Die Einhaltung der von FAIR definierten Kriterien ist ein wichtiges Ziel für das Forschungsdatenmanagement. Eine Herausforderung für EURISCO besteht jedoch darin, dass viele phänotypische Datensätze diese Kriterien nicht vollständig erfüllen. Im Bereich der Genbanken gibt es eine Vielzahl kleiner, relativ schlecht beschriebener Phänotypisierungsdatensätze. Sie sind zum Teil mehrere Jahrzehnte alt, stellen jedoch wichtige Quellen für die Beschreibung von pflanzengenetischen Ressourcen dar und sind vor diesem Hintergrund unverzichtbar. Aufgrund der Historie der Daten sind die verwendeten Merkmale und Methoden oft heterogen, was die Nutzung erschwert.

Und wie sollen diese Probleme gelöst werden?

Ein wichtiges Ziel muss sein, Mindeststandards wie MIAPPE (Minimum Information about Plant Phenotyping Experiments) einzuhalten und die FAIR-Prinzipien bestmöglich umzusetzen. Hier setzen die schon erwähnten Trainings an. Außerdem werden die verschiedenen Forschungsprojekte, an denen EURISCO beteiligt ist, genutzt, um weitere Neuerungen zu entwickeln und zu testen, z.B. in Hinblick auf die Vergleichbarmachung von Daten.

Wie geht es weiter mit EURISCO? Was sind die nächsten Herausforderungen und wird EURISCO auch künftig vom IPK aus betreut?

Die gegenwärtige zweite Förderperiode von EURISCO am IPK läuft noch bis Ende 2023. Wir wollen das System hier auch danach weiter betreiben. Die bisherige Entwicklung des Projektes hinsichtlich Datenumfang, Nutzerzufriedenheit und der generellen Akzeptanz zeigt, dass das IPK eine gute Wahl darstellt.

Inhaltlich arbeiten wir unter anderem an einer Erweiterung um Daten über In-situ-Populationen wildlebender Verwandter von Kulturpflanzen und sind überzeugt, dass dies EURISCO noch weiter aufwerten wird. Daneben gibt es Bestrebungen, ein sammlungsübergreifendes Bestellsystem für eine Pilotgruppe umsetzen und die Akzeptanz zu testen. Weit oben auf unserer Agenda stehen auch die Verbesserung von Verknüpfungen mit genetischen Informationen sowie die Implementierung einer Breeding-API-Schnittstelle.

 

Mehr Infos:

http://eurisco.ecpgr.org/

https://gbis.ipk-gatersleben.de/

 

Die aktuelle Veröffentlichung:

Kotni et al. (2023) EURISCO update 2023: the European Search Catalogue for Plant Genetic Resources, a pillar for documentation of genebank material.
Nucleic Acids Research, 51(D1): D1465–D1469
DOI: 10.1093/nar/gkac852