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IPK Leibniz-Institut/ S. Balyberdin
Mohammad-Reza Hajirezaei vor der Vitrine mit seinen bemalten Tassen
Gatersleben - statt Teheran oder Cambridge

Mohammad-Reza Hajirezaei konnte seine iranische Heimat in der Zeit der Revolution verlassen und arbeitet seit nunmehr 32 Jahren am IPK. Sein Weg ans Institut ist jedoch gekennzeichnet von Hürden und Rückschlägen. Nicht nur einmal half ihm der Zufall.

Eigentlich wollte Mohammad-Reza Hajirezaei nach dem Abitur an die Universität Cambridge. Und in den chaotischen Zeiten der islamischen Revolution sah es sogar so aus, als könne der junge Mann aus Teheran seinen Traum 1979 verwirklichen. Er hatte tatsächlich eine Zusage seiner Wunschuniversität in Großbritannien bekommen. Und die Behörden hatten ihm und einem Freund auch den erforderlichen Reisepass ausgestellt. Dann aber musste er für die Beantragung eines Visums noch einmal bei den Behörden vorstellig werden. „Ich musste nachweisen, dass ich mindestens 10.000 Pfund habe, aber so viel Geld hatte ich natürlich nicht“, erinnert sich der Iraner. Da sein Vater, Inhaber eines kleinen Lebensmittelladens, seinen ältesten Sohn weder unterstützen noch ziehen lassen wollte, war der Traum vom Studium in Cambridge geplatzt. 

Heute, 46 Jahre später, sitzt Mohammad-Reza Hajirezaei im Casino des IPK in Gatersleben und kann diese Episode entspannt erzählen. Denn letztlich schaffte er es doch nach Europa und arbeitet nun bereits seit 1993 am Institut. Nach Biologie-Studium und Doktorarbeit an der Universität Bayreuth holte ihn ein Kollege seines Doktorvaters Mark Stitt ans IPK nach Gatersleben. „Ich hatte mich für eine Postdoc-Stelle beworben, aber die freie Stelle passte thematisch nicht zu meinen Interessen“, erinnert er sich. „Wie so häufig in meinem Leben kam mir damals der Zufall zu Hilfe“, erzählt der IPK-Wissenschaftler. Denn direkt nach dem Bewerbungsgespräch traf er auf dem Campus Uwe Sonnewald, der ihm wenig später eine Stelle anbot und seinen wissenschaftlichen Weg geebnet und unterstützt hat. „Ich hatte schon während meiner Doktorarbeit mit einigen seiner transgenen Pflanzen gearbeitet. Am IPK habe ich mit ihm nicht nur den Bereich Biochemie aufgebaut und etabliert, sondern er hat mir viel in der Wissenschaft beigebracht und wir sind auch gute Freunde geworden“, erzählt der 66-Jährige. Nachdem Uwe Sonnewald das IPK 2004 verlassen hatte und an die Universität Erlangen-Nürnberg wechselte, übernahm Mohammad-Reza Hajirezaei seine Arbeitsgruppe. Später wechselte er in Nicolaus von Wiréns Gruppe „Molekulare Pflanzenernährung“, der er bis heute angehört.

Aber wie schaffte es der junge Iraner Ende der 70er Jahre nach Deutschland, nachdem der Traum vom Studium in Cambridge geplatzt war? Ihm half wieder einmal der Zufall. Auf einer Familienfeier in Teheran lernte er 1979 einen Landsmann kennen, der in Deutschland lebte und ihm nicht nur seine Hilfe anbot, sondern auch eine Unterkunft. Mit dem Geld, das er zuvor noch in ein paar Wochen in einer Opium-Fabrik verdient hatte, und einem Visum für drei Monate kam Mohammad-Reza Hajirezaei erstmals nach Deutschland. Doch der Start in der neuen Umgebung war alles andere als einfach. Er lebte zunächst bei seinem Landsmann in Mainz, später bei einem Gebrauchtwagenhändler in Hamburg. „Dann hatte ich die Zusage für einen Studienplatz an der TU Berlin bekommen, habe aber leider den vorgeschriebenen Sprachtest nicht bestanden.“ Als dann die Zusage von der Universität Bayreuth kam, schien alles auf einem guten Weg. „Nachdem ich mich an der Universität Bayreuth eingeschrieben hatte, bin ich noch einmal zurück nach Teheran geflogen, um meine Familie zu besuchen. Mein Vater hatte inzwischen seine Meinung über meine Pläne geändert, und er war sehr stolz auf mich.“ Wenige Tage später begann der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran.

„Wir waren wie gefangen, alle Flughäfen waren geschlossen, sodass nur die Ausreise über den Landweg blieb“, erinnert sich Mohammad-Reza Hajirezaei. Mit seinem Schicksal war er nicht alleine. Zahlreiche Studenten, die auch eine entsprechende Genehmigung benötigten, standen damals in der langen Schlange vor der Behörde. „Einer aus unserer Gruppe hatte die Idee, alle Reisepässe einzusammeln und direkt nach vorn durchzugehen.“ Zusammen mit ein wenig Geld, das sie dem zuständigen Beamten zusteckten, funktionierte es: Alle hatten den nötigen Stempel im Pass. „Und ich hatte das Glück, dass mein Vater aus seinem Laden einen Busunternehmer kannte, der mir einen Platz in einem Bus besorgen konnte.“ Über zwei Tage dauerte die lange Reise über die Berge bis nach Istanbul. „Dort konnte ich dann mein ursprüngliches Ticket umbuchen und zurück zum Studium nach Deutschland fliegen.“ Seine Heimat sah Mohammad-Reza Hajirezaei dann aber erst 13 Jahre später wieder. „Ich hatte Mühe, mich zurechtzufinden, es hatte sich alles verändert und das Land war schwer vom Krieg gezeichnet“, erzählt der 66-Jährige, „und ich war froh und dankbar, dass ich diese schrecklichen Jahre nicht miterleben musste.“      

Abgerissen ist die Verbindung zur Heimat aber nie. Mohammad-Reza Hajirezaei erhält die Verbindung auch über die Malerei. „Zunächst habe ich Abbildungen aus alten persischen Gedichtbänden gemalt, das waren meist romantisch-orientalische Motive“, berichtet der Wissenschaftler, der seit Jahren die deutsche und die iranische Staatsbürgerschaft besitzt. Dabei waren auch Bände mit Gedichten von Hafis, einem der bekanntesten persischen Lyriker, der im 14. Jahrhundert gelebt hat. „Auch Goethe war sehr fasziniert von seinen Werken“, sagt Mohammad-Reza Hajirezaei. Zur Erinnerung an die beiden Dichter wurde im Jahr 2000 in Weimar, anlässlich des Jahres des Dialoges der Kulturen, ein Denkmal eingeweiht.

Hajirezaei malte seine Bilder in schwarz-weiß. „Eines Tages aber kam mein IPK-Kollege Hans-Peter Mock und meinte, ich sollte farbig malen.“ Doch es kam nicht nur Farbe ins Spiel, der Deutsch-Iraner wechselte auch noch seinen Stil, wählte bunte und fröhliche Motive und orientierte sich an Picasso und Dali. 

„Das Interesse an meinen Bildern ist im Laufe der Zeit immer mehr gestiegen, auch am IPK.“ Mit Unterstützung des langjährigen Administrativen Leiters, Bernd Eise, konnte er sogar eine eigene Ausstellung am Institut zeigen. Und seit zwei Jahren entwirft der 66-Jährige bunte Tassen. Sie zeigen fröhliche Menschen mit Musikinstrumenten, markante Gesichter, aber auch immer wieder Vögel. 

Bernd Eise unterstütze den heute 66-Jährigen aber nicht nur bei der Ausstellung, sondern im Jahr 2018 auch bei der Gründung einer Firma, der Bioanalytics Gatersleben. Die Ausgründung des IPK bietet seinen Kunden verschiedene biochemische Analysen, darunter die Analyse von Aminosäuren. „Wir hatten einen guten Start, dann aber hat uns die Corona-Pandemie ein wenig zurückgeworfen“, erzählt Mohammad-Reza Hajirezaei. Nun hofft er auf einen guten Neustart.

Ob Firma oder IPK - der Antrieb für seine Arbeit ist immer der gleiche. „Ich möchte Sachen machen, die letztlich den Menschen helfen, das ist meine Vision“, bekräftigt der Forscher. Aktuell ist er auf der Suche nach einem diätetischen Ersatzzucker und kooperiert dabei unter anderem mit einer Hortensien-Firma. Das alleine aber reicht ihm nicht. „Eine zweite Ausstellung mit meinen Bildern am Institut, das möchte ich auf jeden Fall auch noch hinbekommen.“