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Michael Major/ Crop Trust
Dr. Benjamin Kilian vom Crop Trust (rechts) mit dem Fingerhirse-Vorzüchtungspartner des BOLD-Projekts, Dr. Chrispus Oduori, und Margaret Kubende, einer Bäuerin, auf ihrem Fingerhirsefeld im Bezirk Kakamega im Westen Kenias.
Genbanken aus 14 Ländern zu Gast am IPK

Crop Trust und IPK haben Partner aus Entwicklungsländern vom 22.-24. Mai zu einem Workshop nach Gatersleben eingeladen. Benjamin Kilian, Leiter des BOLD-Projektes, erläutert im Interview die Hintergründe der Veranstaltung, die er zusammen mit Manuela Nagel vom IPK organisiert hat.

Was war das Ziel des Workshops? Und um welche Themen ging es?

Ziel des Workshops war der Austausch über die Erhaltung und das Management pflanzengenetischer Ressourcen. Konkret ging es dabei um ex situ Erhaltungskonzepte. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 14 Genbanken wurden in verschiedenen Aspekten der ex situ Erhaltung geschult. Die dabei neu erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sollen nun in den jeweiligen Ländern genutzt werden.

Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind nach Gatersleben gekommen? Und wie viele Genbanken waren vertreten?

Wir hatten 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von 14 nationalen Genbanken. Die Spanne reichte von Ländern wie Peru und Ecuador über Uganda und Tansania bis hin zu Staaten wie Pakistan oder Vietnam. Pro Genbank kamen zwei oder drei Expertinnen und Experten. Das waren in den meisten Fällen Genbankmanager, Kuratoren oder Beauftragte für die Genbankdokumentation oder die IT. Nicht kommen konnte wegen der dortigen Kämpfe leider die Gruppe aus dem Sudan.

Nicht alle Genbanken haben vermutlich so gute Voraussetzungen für ihre Arbeit wie die Genbank des IPK. Was können IPK und Crop Trust von anderen Genbanken lernen?

Es kamen Vertreter von 14 nationalen Genbanken aus Entwicklungsländern. Doch nicht nur die Spanne der Länder war groß, es gibt auch immense Unterschiede in der Größe der Sammlungen. Die Genbank im Libanon umfasst 2.345 Akzessionen, die Sammlung in Marokko derweil 31.100. Aber auch die Art der Nutzpflanzen, die erhalten werden, ist natürlich unterschiedlich, was wiederum unterschiedliche Erhaltungsmethoden erfordert. Für uns war das IPK auch deshalb der bestmögliche Partner für diesen Workshop, weil hier ganz verschiedene Formen der Erhaltung praktiziert werden.

Jede Genbank hat ihre Stärken, aber steht auch vor ihren ganz speziellen Herausforderungen, die es künftig zu meistern gilt. Der wichtigste Punkt jedoch ist folgender: Alle der Genbanken beherbergen wichtige und einmalige Sammlungen und Akzessionen, die es gilt, für die Zukunft zu erhalten und für die Züchtung zu nutzen. Daher ist es wichtig, sich zu treffen, sich kennenzulernen und voneinander zu lernen. Auch wir in Deutschland können dabei lernen und beispielsweise Impulse bekommen für eine Diversifizierung der Ernährung hierzulande.

Von der Genbank bis zum Herbarium, vom Gewächshaus bis zur Genbankdokumentation - das IPK hat sich und seine Arbeit umfassend vorgestellt. Welche Möglichkeiten aber hatten die anderen Genbanken, sich bei dem Workshop vorzustellen?

Zunächst wollten wir den Teilnehmerinnen und Teilnehmern umfassend die Gelegenheit geben, die Genbank des IPK kennenzulernen. Dazu gab es eine Vielzahl von Touren und Demonstrationen in der Genbank, im Herbarium, in den Gewächshäusern und auf den Vermehrungsflächen des Instituts. Aber es gab auch die Möglichkeit, sich während des Workshops die Genbankdokumentation, die Kryokonservierung, die in vitro Vermehrung, die Keimprüfung und die Phänotypisierungsanlagen anzuschauen. Doch da alle voneinander lernen können und sollen, stellten sich auch die anderen Genbanken vor. Dazu waren an jedem der drei Tage jeweils fünf kurze Präsentationen eingeplant. Austauschen konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber auch beim BBQ oder in den Pausen.

Welche Rückmeldungen habt Ihr bekommen? Und wie zufrieden bist Du selbst?

Es war ein perfekt organisierter Workshop, der allen einen großen Mehrwert gebracht hat. Die Reaktionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren überwältigend positiv. Es war wirklich bewegend, bei der Übergabe der Teilnahmezertifikate die vielen glücklichen Gesichter zu sehen. Alle waren dankbar für die Möglichkeit, das IPK mit der Genbank und seinen herausragenden technischen Möglichkeiten kennenzulernen. Viele Partner würden gerne bilateral mit dem IPK zusammenarbeiten. Letztlich hat es sich angefühlt, wie eine große Familie, die ein gemeinsames Ziel hat, die Erhaltung und die Nutzbarmachung der Biodiversität.

Und konnten auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPK an einzelnen Programmpunkten teilnehmen?

Natürlich! Zu den Vavilov Reports Sessions in der Lecture Hall waren alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IPK herzlich eingeladen. Nach Rücksprache konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPK auch an den Touren teilnehmen. Etwas schwieriger war es nur bei den praxisorientierten Programmpunkten, die teils in Laboren mit begrenztem Platz stattfanden.

Der Workshop fand im Rahmen des BOLD-Projektes statt, das Du leitest. Worum geht es in diesem Projekt?

BOLD (Biodiversity for Opportunities, Livelihoods and Development) ist ein 10-Jahres-Projekt zur Stärkung der weltweiten Ernährungssicherheit. Das Ziel ist es, einen signifikanten Beitrag zu leisten, um die Nutzpflanzenvielfalt in nationalen Genbanken zu erhalten und für Züchter und Landwirte zu erschließen. Das 2021 gestartete Projekt wird von der norwegischen Regierung mit 58 Millionen US-Dollar finanziert und soll bis Dezember 2030 laufen. Aktuell umfasst das Projekt sechs Arbeitspakete und arbeitet mit Partnern in 52 Ländern zusammen. Ziel des Workshops am IPK war es, dass sich alle 14 nationalen Partnergenbanken des 1. Arbeitspakets zum ersten Mal treffen. Und ich bin überzeugt, dass dieser Workshop eine sehr gute Grundlage für die weitere Kooperation in den kommenden acht Jahren im Rahmen des BOLD-Projektes geschaffen hat.

Nils Stein, Leiter der Arbeitsgruppe „Genomik Genetischer Ressourcen“ am IPK, ist Koordinator des AGENT-Projekts. Auch da geht es darum, die Zusammenarbeit der Genbanken zu verbessern, unter anderem über einheitliche Standards. Zielen beide Projekte in dieselbe Richtung?

Ja, wir verfolgen die gleichen Ziele, nur eben in verschiedenen geographischen Regionen. Projekte wie AGENT, aber auch INCREASE konzentrieren sich auf Gerste, Weizen, Kichererbse, Linse, Lupine und Ackerbohne in Europa. Das BOLD-Projekt unterstützt weltweit Genbanken und deren Partner in Entwicklungsländern. Wichtige Sammlungen von Nutzpflanzen beheimaten u.a. Bambara-Erdnüsse, Fingerhirse, Kuhbohnen oder Reis. Unsere gemeinsame Vision ist die Entwicklung effizienter sowie effektiver Erhaltungsinstrumente und -methoden zur Förderung landwirtschaftlicher Biodiversität.

Crop Trust und IPK haben die Zusammenarbeit auch bei Veranstaltungen intensiviert, zuletzt 2022 bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Wissenschaftspressekonferenz. Sollte dieser Weg in Zukunft fortgesetzt werden? Und wie sieht beim jetzigen Workshop die Aufgabenaufteilung aus?

Ich denke, dass es sich um eine wichtige strategische Partnerschaft handelt, die weiter ausgebaut werden sollte. Der jetzige Workshop zeigt eine von vielen Möglichkeiten auf. Der Crop Trust bringt über das BOLD-Projekt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ans IPK. Und das IPK wiederum leitet mit seiner großen Expertise und seiner hervorragenden Forschungsinfrastruktur im Anschluss die Weiterbildung und den Austausch.

Mit diesem Schulterschluss handeln wir ganz im Sinn der „Convention on Biological Diversity“ (CBD). Workshops wie der am IPK Leibniz-Institut sind wichtig für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt. Er ist zudem ein schönes Beispiel für die globale Zusammenarbeit, das voneinander Lernen sowie für den nicht monetären Vorteilsausgleich. Diesem kommt nach den jüngsten Beschlüssen der CBD in Montreal (Kanada) eine wachsende Bedeutung zu. 

Welche Möglichkeiten gibt es noch?

Weitere Möglichkeiten, die Expertise des IPK zu nutzen, sehe ich auch bei der Ausarbeitung von Strategien. Manuela Nagel hat erst kürzlich eine aktualisierte Erhaltungsstrategie für Kartoffeln für den Crop Trust erstellt. Die Aktualisierung war notwendig geworden, da sich seit der letzten Version, die im Jahr 2006 publiziert wurde, sehr viele Dinge geändert haben wie etwa die Zusammensetzung der Kartoffelkollektionen. Es wurden zudem neue Technologien zur Charakterisierung und Erhaltung der Sammlungen entwickelt. So wurden enorme Fortschritte bei der Kryokonservierung von Kartoffeln erzielt, die nun von Genbanken weltweit eingesetzt werden können. Weiterhin wurde ein neues Kapitel über die in situ Konservierung aufgenommen. Herausragend war, dass Manuela Nagel die weltweite Kartoffelgemeinschaft reaktiviert und motiviert hat, um gemeinsam die Aktualisierung auszuarbeiten.

Wie war für Dich ganz persönlich die Rückkehr ans IPK?

Ich war zunächst einmal sehr froh und dankbar, dass wir das IPK für diesen sehr wichtigen Workshop gewinnen konnten. Für mich ist die Genbank des IPK die beste Einrichtung ihrer Art weltweit und ein herausragendes Beispiel, wie Erhaltung und Nutzbarmachung von pflanzengenetischen Ressourcen gelingen können.

Genauso dankbar bin ich dafür, nach meiner Zeit am IPK von 2008 bis 2014 endlich wieder einmal einige meiner alten Kollegen und Freunde getroffen zu haben. Am Ende des Tages sind es doch die persönlichen Beziehungen zu großartigen Menschen und die gemeinsamen Erfahrungen, die auch das Leben eines Wissenschaftlers ausmachen. Und natürlich war es für mich ein sehr bewegender Moment, als ich am zweiten Tag Andreas Graner für seine großen Verdienste bei der Erhaltung der Biodiversität den Legacy Award des Crop Trust überreichen durfte - schließlich habe ich damals in seiner Arbeitsgruppe gearbeitet.

Und wie geht es weiter?

Nach diesem Besuch am IPK besteht dann Anfang November in Berlin die nächste Möglichkeit, sich wieder zu treffen, um im Rahmen des Crop Diversity Day & Crop Diversity Summit vielleicht sogar Kooperationen voranzubringen.

 

Mehr Infos

https://bold.croptrust.org/

https://www.croptrust.org/pgrfa-hub/ex-situ-conservation-strategies/

https://www.croptrust.org/fileadmin/uploads/croptrust/Documents/Ex_Situ_Crop_Conservation_Strategies/Potato_Conservation_Strategy_2022.pdf