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IPK Leibniz-Institut/ J. Himpe
Landesbischof Friedrich Kramer im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Altmann
„Vorsicht vor der Reduzierung von Komplexität“

Mit einer zehnköpfigen Delegation hat Landesbischof Friedrich Kramer von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland kürzlich das IPK besucht. Im Fokus stand das Thema Grüne Genetechnik.

Wie ist die Idee zu einem Besuch am IPK entstanden? Und was hat sie vorab am meisten interessiert?

Es ist eines der wichtigen Anliegen der Kirchen, mit den Menschen im Gespräch zu sein, die in ihren Arbeitskontexten an der Gestaltung unseres Gemeinwesens mitwirken. Besuche von Kirchenvertretern in Unternehmen, Instituten und vergleichbaren Einrichtungen leisten einen wichtigen Beitrag für den Austausch von Erfahrungen und Horizonten.

Zahlreiche Medien haben zuletzt über die Grüne Gentechnik geschrieben, dennoch gibt es mit Blick auf Verfahren wie der Genschere CRISPR Cas weiter einige Skepsis. Häufig beruht dies jedoch eher auf einem Bauchgefühl, weniger auf Fakten. Was haben Sie vor Ihrem Besuch am IPK über die Grüne Gentechnik gewusst? Und was haben Sie am IPK gelernt?

Bereits in den Schöpfungserzählungen der Bibel wird der Mensch an die Natur gewiesen, dass er sie bebaue und bewahre. Beide Aspekte kommen in der Arbeit des IPK zur Entfaltung. Bewahrung von alten Kulturpflanzen ebenso wie gezielte Verfahren, die Eigenschaften von Pflanzen zu verändern. Neben natürlichen Variationen im Erbgut von Pflanzen kommen, das hat die Auseinandersetzung mit der Arbeit am IPK gezeigt, bei der Züchtung auch gezielte Veränderungen der Eigenschaften zur Anwendung. Mit dem Mittel gezielter Eingriffe in das Erbgut steht Forschenden jedenfalls dem Grunde nach ein Instrument zur Verfügung, Eigenschaften von Pflanzen zielgerichtet zu verändern.

Wie kontrovers wird das Thema innerhalb der EKM diskutiert?

Die Bewertung von „Gentechnik in der Landwirtschaft“ ist in den Kirchen zunächst zurückhaltend. Umso wichtiger ist uns aber eben auch die Auseinandersetzung mit den aktuell verfügbaren Instrumenten der Veränderung von Kulturpflanzen. Als Kirchen fokussieren wir uns dabei nicht nur auf die Methode selbst, sondern auch auf potenzielle Auswirkungen auf Natur und Gesellschaft. Die Betrachtung komplexer Zusammenhänge unterliegt auch für uns der immer wieder neuen Bewertung. Auch deswegen diskutieren wir die Anwendung von Instrumenten wie etwa CRISPR Cas mit Fachleuten aus Naturwissenschaft, Landwirten, Umweltexperten und Ethikern.

Kritiker stören sich vor allem am Eingriff und der Veränderung des Erbgutes. Dabei sind Mutationen der Motor der Evolution und damit kein „Teufelszeug“, sondern etwas ganz Natürliches. Wie stehen Sie aus kirchlicher und ethischer zu solchen Veränderungen des Erbgutes, die ja mittlerweile zielgerichtet und punktgenau durchgeführt werden können?

Die Auseinandersetzung über Möglichkeiten und Grenzen der Veränderung von Erbgut wird nach meiner Einschätzung durchaus emotional geführt, durchaus auf beiden Seiten. Umso wichtiger ist mir, unterschiedliche Sichtweisen zunächst wahrzunehmen, die Interpretation von Fakten nach verschiedenen Kriterien herauszuarbeiten und voneinander abweichende Positionen ins Gespräch zu bringen. In der Regel lassen sich komplexe Fragestellungen nicht auf gut oder böse, richtig oder falsch reduzieren. Am Ende wäre schon viel gewonnen, wenn für unterschiedliche Einschätzungen und Positionen eine Balance versucht werden kann.

Die Position der Wissenschaft ist ganz eindeutig: Die Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft machen sich für die Nutzung der Grünen Gentechnik ebenso stark wie auch das IPK. Ist es für Sie nach nachvollziehbar, dass Politikerinnen und Politiker, die sich sonst immer auf die Wissenschaft berufen, bei diesem Thema die Stimme der Wissenschaft nicht berücksichtigen?

Ich werde, mit Verlaub, immer etwas vorsichtig, wenn Bewertungen vielschichtiger Sachverhalte als „eindeutig“ klassifiziert werden. Vielleicht sind sie das, wenn lediglich auf die Aspekte von Naturwissenschaft reduziert werden. Für die politische Bewertung und auch für unsere Haltung als Kirchen spielen auch andere Aspekte eine Rolle. Ich nenne hier beispielhaft Fragen der Biodiversität, des Miteinander von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft, aber etwa auch mögliche ökonomische Abhängigkeiten.

Bei Berücksichtigung dieser und weiterer Aspekte wird es dann schon etwas schwieriger mit der Eindeutigkeit. Gerade darum ist uns als Kirchen der Austausch mit Fachleuten unterschiedlicher Profession wichtig. Nur so kann es ja gelingen, eigene Positionen immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen und zu bewerten.

Das Thema ist ja zuletzt auch auf EU-Ebene diskutiert worden. Inwieweit haben Sie sich als Kirche bisher in die politische Diskussion eingebracht?

Die Kirchen bringen sich auf den verschiedenen Ebenen ein in die politische Willensbildung. Bei komplexeren Fragestellungen beziehen wir uns dabei auf die Expertise aus den verschiedenen Wissenschaftsbereichen.

Die Wissenschaft sieht Verfahren wie die Genschere als eines von vielen Werkzeugen, um den Herausforderungen wie durch den Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung begegnen zu können. Stecken Kritiker nicht in einem Dilemma? Denn mit Alternativen wie dem Ökoanbau, der mehr Flächen verbraucht und weniger Erträge liefert, lassen sich die Probleme nicht lösen.

Fragen der Ernährungssicherheit für eine wachsende Erdbevölkerung haben ganz sicher zu tun mit Aspekten von Ertragssteigerung und den Eigenschaften der Pflanzen. Die Möglichkeiten, die im IPK dazu gesehen und entwickelt werden, hat mein Besuch sehr anschaulich gezeigt. Auch hier gilt für mich aber: Vorsicht vor der Reduzierung von Komplexität! Ungerechtigkeiten in der Ressourcenverteilung, problematische Entwicklungen bei der Preisbildung, Verschwendung von Lebensmitteln, Probleme der Bodenerosion gehören zu dieser Komplexität. Mir wäre wichtig, Chancen und Risiken nicht gegeneinander auszuspielen, sondern aufeinander zu beziehen.

Warum der Einsatz der Gentechnik in der Pflanzenforschung so hitzig diskutiert, während eine Nutzung in der Medizin weitestgehend akzeptiert wird. Eine Corona-Impfung haben Millionen von Menschen haben wollen.

Diese Frage habe ich mir in der Tat auch schon gestellt. Vielleicht liegt es daran, dass der medizinische Mehrwert für die Menschen eher auf der Hand liegt, vielleicht erscheint es den Menschen existenzieller, über ein Medikament zu verfügen, oder eben nicht. Ich bin bei dieser Frage selbst auch Suchender.

Sie haben sich auch die Genbank des IPK angeschaut, in der heute mehr als 150.000 Muster verschiedener Kulturpflanzen erhalten werden. Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, diesen großen Aufwand zur Erhaltung von Saatgut zu betreiben?

Auf jeden Fall. Der Erhalt der Saatgutvielfalt und die damit verbundene Vielfalt an Informationen, sind ein hohes Gut für die Menschheit und die zukünftigen Generationen.  

In der PhänoSphäre kann schon heute das Feld der Zukunft simuliert werden. Was hat Sie an dieser weltweit einmaligen Anlage am meisten beeindruckt?

Die Präzision. Obgleich in meinem Garten mehr Schmetterlinge (und auch ein paar Nacktschnecken) unterwegs sind.

Mit welchem Eindruck haben Sie das IPK verlassen? Und wie werden Sie die Einblicke, die Sie bei Ihrem Besuch gewonnen haben, nutzen, etwa für eigene Veranstaltungen?

Die Forschung und das Wissen sind wirklich beeindruckend. Die Anwendung in der Praxis ist mit Ungewissheiten und Unwägbarkeiten behaftet. Das ist auch in Ordnung, weil wir eben Menschen sind. Bei aller beeindruckenden wissenschaftlichen Finesse sollten wir aber nicht nur auf Zweckdienlichkeit achten, sondern uns auch mal Zeit nehmen zum Staunen.

„Gottes Segen für Ihre Arbeit“, haben Sie zum Abschluss gesagt. Eine übliche Formel oder aber Segen für die Arbeit der Grünen Gentechnik?

Ich reduziere die Arbeit im IPK nicht auf die Grüne Gentechnik. Ich habe hier Menschen kennengelernt, die mit großem Sachverstand und sehr engagiert ihren Beitrag leisten, die Welt zu bebauen und zu bewahren. Ihnen gilt mein Wunsch um Gottes Segen.