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IPK Leibniz-Institut / Julie-Sophie Himpe
Hunderte Besucherinnen und Besucher sammelten sich vor dem Casino für die Führungen auf dem Campus.
Wissenschaft zum Anfassen

Das IPK Leibniz-Institut hat am 18. Juni seine Türen geöffnet, und hunderte Besucherinnen und Besucher nutzten trotz der großen Hitze die Chance, sich unter anderem die IPK-PhänoSphäre und die Genbank anzuschauen. Wissenswertes gab es auch zum Augustinermönch Gregor Mendel.

Manuela Nagel ist bestens vorbereitet auf die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, die an ihrer Führung teilnehmen. Unter dem Titel „Der vereiste Planet“ führt sie Jung und Alt im Innenhof des Vavilov-Gebäudes mit ihren Versuchen in die faszinierende Welt des Stickstoffs ein. Und hat dafür unter anderem Bananen mitgebracht. Der flüssige Stickstoff ist zunächst einmal sehr kalt, minus 196 Grad Celcius. „Sobald er an die Luft kommt, verdampft der flüssige Stickstoff“, erklärt die Leiterin der Arbeitsgruppe „Cryo- und Stressbiologie“ einen der Effekte, der immer wieder für spektakuläre Bilder sorgt. Doch nicht nur das: die tiefen Temperaturen des flüssigen Stickstoffs sorgen auch für eine Verhärtung der Strukturen. „Wer hier keinen Hammer hat, um einen Nagel in die Wand zu schlagen, kann dafür eine Banane nehmen“, erklärt die Wissenschaftlerin und zieht eine Banane aus dem Stickstoff, die so hart geworden ist, dass sie tatsächlich als Werkzeug benutzt werden kann. Ein Blick in die verdutzten Gesichter verrät: die Überraschung ist gelungen!

Doch natürlich erläutert Manuela Nagel ihrer Gruppe auch, welche Bedeutung der flüssige Stickstoff für die Forschung hat. „Wir nutzen ihn für die Langzeiterhaltung von Pflanzen wie Knoblauch, Minze und Kartoffeln, die keine Samen ausbilden oder aber nicht über Samen erhalten werden“, erklärt die Arbeitsgruppenleiterin. „Unter diesen Bedingungen, also bei einer Temperatur von minus 196 Grad, findet praktisch kein Stoffwechsel mehr statt und die Pflanzen können so mindestens 100 Jahre erhalten werden“, betont die IPK-Wissenschaftlerin. „Diese Methode ist das Geheimnis für die Langzeitlagerung.“ Die entsprechende Sammlung am IPK umfasst bereits 1.900 Kartoffelsorten. Perspektivisch soll die gesamte Kulturkartoffelkollektion der Genbank so dauerhaft erhalten werden.

Rund eine Stunde zuvor hat Nicolaus von Wirén den Tag der offenen Türen im voll besetzten Hörsaal des IPK eröffnet, den ersten seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Er stellte den Gästen nicht nur das Programm vor, zu dem unter anderem auch Führungen durch die Genbank und die IPK-PhänoSphäre gehören. Der Leiter der Abteilung „Physiologie und Zellbiologie“ verwies in seiner kurzen Begrüßung auch auf die enormen Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht und die sich auch durch den Klimawandel ergeben. Der „Club of Rome“, ein Zusammenschluss internationaler Experten, der 1968 gegründet wurde, sagte Nicolaus von Wirén, habe schon 1972 in seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ auf viele Konsequenzen eines verschwenderischen Umgangs mit unseren Ressourcen hingewiesen. „Die Forschung hat die Warnsignale nicht überhört, aber bei vielen Menschen beginnt der Bewusstseinswandel erst heute, also 50 Jahre nach dem Bericht.“ Für die Pflanzenwissenschaften, so der Abteilungsleiter, gehe es nunmehr um Themen wie Hitze- und Trockenstress, aber auch um eine effizientere Nutzung von Nährstoffen.

Neueste Erkenntnisse aus der Mendel-Forschung stellte dann Uwe Hoßfeld in seinem Festvortrag „Johann Gregor Mendel (1882-1884) - der „tschechische Darwin“? vor. Nach aktuellen Recherchen des Wissenschaftlers von der Universität Jena hat es der Augustinermönch, dessen 200. Geburtstag am 20. Juli 2022 gefeiert wird, auf fast 90 Veröffentlichungen gebracht. Bekannt ist Gregor Mendel vor allem für seine Versuche zur Vererbungslehre, die er an 28.000 Erbsenpflanzen im Klostergarten durchgeführt hat. Die daraus abgeleiteten Regeln veröffentlichte Mendel 1866. Sie wurden zunächst aber kaum wahrgenommen und erst um 1900 quasi „wiederentdeckt“. Daran, so Hoßfeld, seien aber nicht drei Wissenschaftler beteiligt gewesen, die unabhängig voneinander agiert hätten, wie oft behauptet wird. „Es gab mindestens vier Wiederentdecker, die auch miteinander im Austausch standen“, sagte Hoßfeld, dessen Mendel-Biografie im Herbst erscheinen soll.

Aber welche Bedeutung hat Gregor Mendel heute noch für die Wissenschaft? Diese Frage diskutierte Jens Freitag, Leiter der Geschäftsstelle, im Anschluss mit Uwe Hoßfeld, Ingo Schubert (IPK) und Frank Ordon (JKI). „Die Resistenzzüchtung wird heute immer wichtiger und da spielt Mendel natürlich eine sehr große Rolle, insofern ist er weiter sehr aktuell“, betonte der Präsident des JKI. Für Ingo Schubert, Leiter der Senior-Gastgruppe „Karyotypevolution“ am IPK, ist Mendel aber auch aus einem anderen Punkt beispielsgebend. „Er hat viele Niederlagen verkraften müssen und ist zwei Mal bei seinen Lehramtsprüfungen durchgefallen, aber hat sich dennoch nicht entmutigen lassen“, sagte Ingo Schubert und stellte mit Blick auf heutige junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die provokante Frage: „Wer von denen würde heute noch für die Wissenschaft ins Kloster gehen?

Doch es gab natürlich auch ein großes Programm für die Forscherinnen und Forscher von morgen. Die Funktionsweise eines Gewächshauses erklärte Kathrin Gramel-Koch den Kindern. Es ging um die vielen technischen Möglichkeiten, also Fragen der Kühlung, der Beheizung oder des Lichtes. Am Ende konnte jedes Kind noch eine Pflanze umtopfen und mit nach Hause nehmen. „Wir haben dafür das Kussmäulchen ausgewählt, das seinen Namen wegen der spitzen Blütenform bekommen hat.“ Am Stand von FABUNITY - einem Verbundprojekt des Vereins „heimatBEWEGEN“, an dem auch das IPK beteiligt ist - konnten Kinder eine Doppelhelix basteln. „Marshmellow dienten als Nukleobasen und Haribo-Schnürchen als Rückgrat“, erklärte IPK-Wissenschaftlerin Iris Hoffie, die in diesem Projekt mitarbeitet. Das PhD Student Board und das Postdoc Board wiederum luden Kinder ein zu einer Schatzsuche auf dem Campus, die auf große Resonanz stieß. Und natürlich fehlten auch nicht umfassende Informationen zu Ausbildungsmöglichkeiten und Studiengängen wie dem Dualen Studiengang Biotechnologie der Hochschule Anhalt in Köthen.

Am Nachmittag spannte dann Manuela Nagel ihre Gäste noch einmal auf die Folter. Sie hatte eine Plastikflasche, gefüllt mit flüssigem Stickstoff, in eine große Plastiktonne gelegt. „Jetzt müssen wir einige Minute warten, bis wir den gewünschten Effekt sehen“, erklärte die IPK-Wissenschaftlerin. Nach sechs Minuten war es dann so weit: Mit einem Knall war die Flasche, in der sich der flüssige Stickstoff langsam ausgedehnt hatte, explodiert und unzählige Styroporteile, die ebenfalls in der Tonne waren, flogen durch die Luft. „Jetzt sehen sie, warum wir immer so viel Spaß bei der Arbeit haben“, scherzte Manuela Nagel mit ihren jungen und alten Gästen. Und passend zum sehr kalten Stickstoff gab es dann noch für alle eine Runde Eis am Stiel. Auch eine Art von Wissenschaft zum Anfassen.