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IPK / Elena Mazon
Die Kenntnis über die Bohnenvielfalt soll auch über das Citizen-Science-Projekt vermittelt werden.
Zweite Runde im Bohnenexperiment

Nach dem Auftakt 2021 geht das EU-Projekt INCREASE mit seinem Citizen-Science-Projekt zur Bohnenvielfalt in die nächste Runde. Über die Erfahrungen, die Resonanz und die Neuerungen spricht Kerstin Neumann, Leiterin der Arbeitsgruppe „Automatisierte Pflanzenphänotypisierung“ am IPK Leibniz-Institut, im Interview.

Welche Bilanz ziehst Du nach dem Auftakt?

Wir sind wirklich sehr zufrieden, das Projekt hat in der Öffentlichkeit, aber auch in den Medien enormen Anklang gefunden. An der ersten Runde haben sich 2.600 Menschen aus ganz Europa beteiligt und von uns Bohnen bekommen. Die erfassten Daten werden momentan von unseren italienischen Partnern an der Universität Ancona ausgewertet. 3.300 Bohnen-Fotos wurden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der App gepostet. Aber auch die Medien haben über das Projekt berichtet, darunter bei uns in der Region die Mitteldeutsche Zeitung und der MDR.   

Kannst Du Menschen, die den Auftakt verpasst haben, noch einmal kurz erklären, worum es bei diesem Experiment geht?

Ziel ist es zum einen, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger bei der Erfassung wichtiger Merkmale wie Wachstum, Aussehen, Blütezeitpunkt oder Ertragskomponenten von 1.000 alten Bohnensorten einzubeziehen. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer erhält sechs Bohnensorten von uns. Diese sät er bei sich aus und erfasst dann verschiedene Merkmale mit Hilfe der App „INCREASE CSA“. So erhalten wir am Ende zum einen eine sehr große Datenbasis. Zum anderen wollen wir das Thema Biodiversität viel präsenter machen und das Wissen über und das Gefühl für die Vielfalt der Bohnen vergrößern. Nur um eine Zahl zu nennen: Alleine in der Genbank unseres Institutes lagern mehr als 8.000 Sorten, sogenannte pflanzengenetische Ressourcen.

Was kannst Du uns zur zweiten Runde sagen?

Die Anmeldung läuft wie schon im Vorjahr über die kostenlose App, die heruntergeladen werden muss und in der man sich dann für das Experiment anmeldet. Wir haben zwar bisher schon wieder mehr als 2.000 Anmeldungen, dennoch haben wir die Frist bis Mitte März verlängert. So hoffen wir, in den nächsten Wochen auch noch möglichst viele Menschen aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland, aber auch in Osteuropa zu erreichen. Bisher sind diese Regionen noch etwas unterrepräsentiert.

Und wo ist die Resonanz besonders hoch?

Bisher liegt Spanien mit mehr als 760 Anmeldungen an der Spitze, Deutschland kommt mit 370 Interessenten auf Platz drei, ganz knapp hinter Italien mit 380. Auch Frankreich ist mit über 240 Teilnehmenden gut dabei.

Was habt Ihr gegenüber der ersten Runde verändert?

Wir haben zum einen drei verschiedene Level eingeführt. Im „Basic Level“ sollen die Menschen sechs wichtige Merkmale erfassen, im „Medium Level“ schon 21 verschiedene Merkmale und im „Experten Level“ insgesamt 36. Damit können die Menschen selbst entscheiden, wie stark sie sich in das Projekt einbringen möchten - je nachdem wie viel Vorwissen und wie viel Zeit sie haben. Zum anderen überarbeiten wir gerade die App, wollen sie übersichtlicher und nutzerfreundlicher machen. Wir werden damit aber erst nach Ablauf der Anmeldefrist, also Mitte März, an den Start gehen, um unnötige Verwirrung zu vermeiden. Weiterhin wird für die Teilnehmer der ersten Runde ein Saatgutaustausch mit Hilfe der App ermöglicht.

Wie sieht der weitere Fahrplan aus?

Ab Mitte März fangen wir an, den Bürgerinnen und Bürgern ihre Bohnen zu schicken. Dazu müssen wir vorher entscheiden, wer welche Bohnen aus den 1.000 Sorten bekommt, die wir für unser Experiment ausgewählt haben. Der Teilnehmende muss dann noch über die App eine Materialübertragungsvereinbarung (SMTA) für die individuell zugeordneten Bohnensorten akzeptieren. Dabei geht es im Kern nur darum, dass das Material aus der Genbank nicht für kommerzielle Zwecke genutzt wird.

Trotz der großen Resonanz gibt es aus der Wissenschaft selbst kritische Stimmen zum Thema Bürgerwissenschaft. Selbst Kollegen am IPK Leibniz-Institut äußerten Zweifel an der erwartbaren Qualität der erfassten Daten. Hat Dich das überrascht?

Nein, das hat mich nicht überrascht, das war mir bewusst. Fakt ist, wir betreten mit diesem Citizen-Science-Experiment Neuland. Ein mehrmonatiges Experiment mit pflanzengenetischen Ressourcen, das mehrere Jahre unter wissenschaftlicher Anleitung läuft, Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa einbezieht und über eine App organisiert wird, das hat es bislang noch nicht gegeben. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir am Ende sehr gute Daten gesammelt haben werden.

Woraus speist sich der Optimismus?

Es hat vor einiger Zeit ein vielversprechendes Bürgerexperiment zu Sojabohnen gegeben. Das lief allerdings nur in Deutschland und dauerte auch nur ein Jahr. Doch die Qualität der erhobenen Daten war selbst in diesem kleineren Rahmen vielversprechend. Daher sind wir für unser deutlich größer angelegtes Projekt zuversichtlich. Für jedes Merkmal gibt es in der App detaillierte Tutorials wie dieses zu erfassen ist, so dass die Teilnehmer wissen worauf es uns ankommt.

Und welches wissenschaftliche Interesse verbindest Du mit dem Experiment?

Der Mensch nutzt Bohnen seit Jahrtausenden als Kulturpflanze. Viele alten Sorten sind jedoch aus dem Blick geraten und das Wissen über sie gerät in Vergessenheit. Deshalb sind die Erhaltung und die Charakterisierung dieser alten Sorten und ihre Nutzung für die künftige Züchtung zwei zentrale Aspekte des Projektes. Dabei geht es um die Entwicklung einer nachhaltigeren Landwirtschaft und die Produktion gesünderer Lebensmittel.   

 

Alle Infos zum Projekt und zur App:
 

https://www.pulsesincrease.eu

https://www.pulsesincrease.eu/experiment

https://www.pulsesincrease.eu/experiment/app